„Arbeite doch wann, wo und wie du willst“ ist mehr als eine Startup-Vision aus dem Silicon Valley. Selbst große Konzerne wie Microsoft, Daimler, Siemens, Adidas, Datev und zahlreiche Mittelständler überlegen sich intensiv die Ausgestaltung der Arbeit 4.0 in ihren Unternehmen. Konzepte wie Bring your own device, Home Office und neuartige Bürokonzepte sind die Konsequenz der Digitalisierung der Arbeit.

Bereits in meinen Roundtables habe ich bemerkt, dass speziell Betriebsvereinbarungen und rechtliche Rahmenbedingungen aktuell Agilität und Digitalisierung erschweren. Im 3. Roundtable hat uns deswegen der Vorstand IT (Angestellte) einer von Deutschlands größten Gewerkschaften erste Einblicke in den Status quo gegeben: „Es ist keinesfalls so, dass wir die Arbeit 4.0 verhindern wollen, sondern wir sind sogar bereits sehr weit in der Festlegung von Richtlinien zu agiler und mobiler Arbeit fortgeschritten und führen sogar Studien dazu durch.“

Insgesamt waren für viele meiner Teilnehmer rechtliche Rahmenbedingungen und gesetzliche Anforderungen ein leidiges Thema, aber speziell für die Arbeit 4.0 notwendig und auch wichtig – immerhin soll es ja um den Menschen gehen. Doch einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu bekommen ist oft schwer.

Hierzu habe ich vor einigen Tagen das Buch von Britta Redmann Agiles Arbeiten im Unternehmen entdeckt, das Einblicke in das Thema gibt. Ich möchte im Folgenden den Inhalt des Buches kurz zusammenfassen. Am Ende jedes Kapitel findet sich eine Legal Checklist, die ich auch auszugsweise unter jedem Teilkapitel zeige.

In diesem Artikel konnte ich nur recht kurz einen Teil der Inhalte des Buchs abdecken. Mein Ziel war es, einen Überblick über alle Dimensionen der Agilität am Arbeitsplatz und eine erste Orientierung zu geben, was in jedem Bereich zu beachten ist. Sollten Sie mehr über die einzelnen Punkte wissen wollen, empfehle ich das Buch zu lesen oder mit Britta Redmann direkt Kontakt aufnehmen.

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Der Weg zur Digitalisierung der Arbeit ist nicht einfach. So gilt es für den agilen Manager zahlreiche interne und externe Richtlinien und Anforderungen zu beachten (eigene Darstellung)

AGILER ARBEITSORT

„Home Office, freie Arbeitsplatzwahl und Co. – geht das einfach so?“, fragen sich sicher viele Arbeitgeber. Was ist, wenn meine Mitarbeiter fordern, von überall zu arbeiten und wie regelt sich eigentlich Home Office?

Im Buch findet sich die Passage, dass der Arbeitgeber immer weisungsbefugt ist, was den Arbeitsort betrifft. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, aber speziell greift dies auch im Home Office. Rechtlich ist ein Homeoffice ein vom Arbeitgeber ausgestatteter fest eingerichteter Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich des Angestellten. Dies stellt jedoch den Fall dar, dass ein Mitarbeiter im Falle von Telearbeit oder aus sonstigen Gründen gezwungen ist von zu Hause aus zu arbeiten. In der Praxis ist es jedoch umgekehrt, stellt Redmann fest. Hier wird sich meist vom Angestellten das Home Office gewünscht. In jedem Fall sollte also eine Passage dazu im Arbeitsvertrag festgelegt werden.

Weitaus komplexer wird die Situation, sobald der Mitarbeiter von überall aus arbeiten kann und auch soll/möchte. In der Regel ist im Arbeitsvertrag ein Ort festgelegt, von dem aus der Angestellte normalerweise arbeiten muss. Auf der einen Seite schützt dies den Mitarbeiter vor einer unsachgemäßen Arbeitsumgebung und auf der anderen Seite schreiben Gesetze des Arbeitsschutzes die Arbeitsumgebung vor. Deswegen ist für mobiles Arbeiten eine spezielle Klausel im Arbeitsvertrag nötig. Auch die Kostenübernahme für das Home Office sowie die mobilen Arbeitsgeräte sollten geklärt werden. Genauso darf und sollte der Betriebsrat einbezogen werden, so Redmann, wenn es darum geht, Schutzrechte von Mitarbeitern, z.B. Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz oder Datenschutz, zu wahren. Auch kann in bestimmten Fällen eine mobile Arbeit sogar als eine Versetzung gewertet werden, was bedeutet, dass der Betriebsrat hier zwingend zustimmen muss. Auch der Datenschutz sollte bei der mobilen Arbeit geklärt sein. Genaue Hinweise und Checklisten finden sich hierzu in dem Buch von Britta Redmann.

AGILE ARBEITSRÄUME

Neue Bürokonzepte und Open Space sind oft Konsequenz einer Ausgestaltung der New Work oder Arbeit 4.0. Das Büro soll genauso agil wie die Arbeit werden, so die meisten meiner Praxispartner, und man sieht: Es funktioniert! Doch was ist dabei zu beachten? Auch zu dieser aktivitätenbasierten Arbeit (Beispiel: Ruhebereiche, Teambereiche, …) gibt es Informationen im Buch von Britta Redmann.

Übergreifend gilt immer das Arbeitsschutzgesetz und bei festgelegten Regeln wie z. B zu Ruhebereichen sind ebenfalls Betriebsrat und Mitarbeiter mitbestimmungsberechtigt. Auch gilt natürlich immer der Umweltschutz. Veränderungen von Büroräumen benötigen die Einbindung des Betriebsrates und soweit die Veränderung der Umgebung auch konkrete Auswirkungen und Änderungen der Tätigkeit mit sich bringt, muss der Betriebsrat hier unter Umständen sogar zustimmen. Gleichfalls hat er ein Mitbestimmungsrecht, soweit Verhaltensregelungen z.B. in Großraumbüros, aufgestellt werden.

Wichtig ist dabei, dass der Betriebsrat bei einer Veränderung der Arbeitsstätte einbezogen wird, so Redmann. Speziell kann ein agiler Arbeitsraum auch die Tätigkeiten des Mitarbeiters verändern und dann müsste der Betriebsrat ggf. dazu sogar zustimmen.

AGILE ARBEITSZEIT

Mit der Flexibilisierung des Arbeitsorts geht auch die agile Arbeitszeit einher. „Arbeite doch, wann du willst“, heißt es in den Forderungen der New Work und ist somit ein wichtiger Aspekt der Digitalisierung der Arbeit. Auch dieses Thema ist in dem Buch enthalten.

Gleitzeit, Vertrauensarbeit und Co. benötigen nach aktuellen Wissensstand auf jeden Fall eine individuelle Vereinbarung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen. Speziell bei den Varianten Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit gibt es schon jetzt zahlreiche gesetzliche Möglichkeiten, Arbeitszeiten flexibel zu gestalten, so Redmann.

Was vor allem viele meiner Praxispartner aus dem Mittelstand anstreben, ist eine vollkommen offene 24/7-Arbeitszeit unter der Prämisse „Hauptsache die Ergebnisse stimmen“. Hier weist Redmann darauf hin, dass das Arbeitsschutzgesetz zu beachten ist und ebenfalls eine arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht gegenüber dem Mitarbeiter besteht. Auch herrschen in vielen Tarifverträgen ein Sonn- und Feiertagsverbot sowie Pausenzeiten- und Nachtschichtreglungen. Das Unternehmen muss definitiv den Schutz des Mitarbeiters vor Überlastung sicherstellen. Nichts desto trotz gibt es bereits schon heute die Möglichkeit, in z.B. Arbeitsverträgen individuelle Vereinbarungen zu treffen, die mit dem Arbeitsschutzgesetz konform sind und trotzdem beidseitige Bedürfnisse nach Flexibilität ermöglichen. Daneben gibt es auch zahlreiche bestehende betriebliche Modelle für Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit.

AGILE TÄTIGKEITEN

Vom Konzern bis zum Startup – Agiles Arbeiten löst starre Positionen auf und  Mitarbeiter können, im Extremfall sogar täglich, neue Rollen im Unternehmen einnehmen. Es zeigt sich auch in meinen Roundtables, dass dies zu einer hohen Geschwindigkeit und Flexibilität im Unternehmen führt. Doch auch hier stellt sich die Frage meiner Praxispartner: Darf ich das einfach so?

Redmann weist in ihrem Buch darauf hin, dass schon die richtigen Formulierungen in einem Arbeitsvertrag die Flexibilität der Rollen erleichtern und unterstützen können. Bestehende Arbeitsverträge können mit den Mitarbeitern neu formuliert werden und neue Mitarbeiter können direkt entsprechende Passagen in die Verträge bekommen.

In einer solchen Passage muss ein Einsatzrahmen bestimmt werden, der vereinbar mit einem vorhandenen Tarifvertrag ist. Auch Formen der Arbeitsnehmerüberlassung haben sich in den letzten Jahren stark verändert und zahlreiche neue Arbeitsformen sind in Unternehmen zu finden. Zudem weist Redmann hin, dass bei Arbeitnehmerüberlassungen und freien Mitarbeitern dringend auf die Vermeidung von Scheinselbstständigkeit zu achten ist.

AGILE ARBEITSMETHODEN

Scrum, Kanban, XP: Es gibt eine große Palette an agilen Methoden. Diese sollen speziell in der IT State of the Art werden und werden von meinen Praxispartnern auch in IT-fremden Abteilungen erprobt. So finden sich Ansätze von agiler HR, Vertrieb, Produktion oder Marketing in den Unternehmen meiner Praxispartner. Doch was sagt das deutsche Gesetz dazu? Darf ich einfach so Scrum einführen?

In erster Linie zeigt Redmann auf, dass agile Arbeitsweisen durch den Arbeitgeber eingeführt werden können. Hierbei ist es jedoch genauso wichtig, den Mitarbeiter von der Einführung zu überzeugen und diese nicht einfach „per order Mufti“ anzuordnen. Ggf. können hier Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates tangiert werden, z.B. wenn sich durch die agilen Methoden Arbeitsbereiche und Prozesse so stark ändern, dass von einer gesetzlichen Betriebsänderung auszugehen ist.

Bei der Einführung von Agilität ändern sich nicht nur die Arbeitsschritte sondern oftmals auch die Organisationen und die Zusammenarbeit. Hier gilt speziell bei Kollaborationssystemen das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters zu respektieren. Er selbst darf entscheiden, welche privaten Informationen er auf diesen einstellen will. Auch kann eine spezielle Anweisung zum vernetzten Informationsaustausch das Recht des Mitarbeiters verletzen. Klare Rahmenbedingungen unterstützen hier  einen kollektiven Austausch eher und helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Auch hier gilt das Credo der Überzeugung um Mitarbeiter zu einem vernetzten Austausch zu gewinnen anstatt sie durch Arbeitsanweisungen dazu zu bewegen.

AGILES PERFORMANCEMANAGEMENT

Jahresgespräche, Leistungsbeurteilungen und Feedbackgespräche prägten die Digitalisierung der Arbeit. Doch wie sieht es aus, wenn Retros, Dailys und Reviews diese ersetzen sowie Vernetzung Echtzeitfeedback erzeugt? Kann ich einfach so das Jahresgespräch abschaffen, weil der Mitarbeiter durch Scrum alle 2 Wochen automatisch Feedback erhält?

Performance Management im agilen Kontext ist anders, da hier das Team und die Zusammenarbeit stark im Vordergrund stehen. Dies hat Auswirkung auf den „Leistungsbegriff“, so Redmann, so dass sich Unternehmen damit auseinandersetzen sollten, was für sie alles Leistung im Rahmen von Agilität beinhaltet. Speziell bei Feedback und Performancemessung ist die Persönlichkeit des Mitarbeiters zu schützen. Insbesondere Mobbing und Benachteiligung des Mitarbeiters müssen ausgeschlossen werden. Hier ist es sinnvoll, klare Regeln aufzustellen, wie und wozu Feedback genutzt wird.

Eine Möglichkeit ist es, klare Anforderungen an Kultur und Leistung an die Mitarbeiter zu kommunizieren und eindeutige Regeln aufzustellen, welche die Verwendung von Feedback klären. Speziell bei Teamentscheidungen wie z. B. Prämienausgestaltung muss der Betriebsrat einbezogen werden.

FAZIT zur Digitalisierung der Arbeit

Arbeit 4.0, Agilität und die Digitalisierung der Arbeit sind kein leichtes Unterfangen. Schon die Umsetzung im Unternehmen durch Renovierung und das nötige Change Management treibt Managern Schweißperlen auf die Stirn.

Der Artikel zeigt, dass es neben den genannten Punkten noch zahlreiche rechtliche Fragen gibt, die beachtet werden müssen. Klar ist, dass diese Gesetze in erster Linie dazu da sind, um den Mitarbeiter zu schützen und nicht, um die Arbeit 4.0 zu verhindern.

In diesem Artikel konnte ich nur recht kurz einen Teil der Inhalte des Buchs abdecken. Mein Ziel war es, einen Überblick über alle Dimensionen der Agilität am Arbeitsplatz und eine erste Orientierung zu geben, was in jedem Bereich zu beachten ist. Sollten Sie mehr über die einzelnen Punkte wissen wollen, empfehle ich das Buch zu lesen oder mit Britta Redmann direkt Kontakt aufnehmen.

Für mich habe ich gelernt, dass neben den zahlreichen Rahmengesetzen auch vieles über eine individuelle Vereinbarung mit den Mitarbeitern abgedeckt werden kann. Es lohnt sich also, diese von Konzepten der Arbeit 4.0 und Agilität zu überzeugen, denn wie Britta Redmann sagt: „Agiles Recht folgt auf agile Kultur.“

Lesetipp: Buch von Britta Redmann

Genderhinweis: Seit Anfang 2022 achte ich darauf, dass ich immer genderneutrale Formulierungen verwende. Vor 2022 habe ich zur leichteren Lesbarkeit die männliche Form verwendet. Sofern keine explizite Unterscheidung getroffen wird, sind daher stets sowohl Frauen, Diverse als auch Männer sowie Menschen jeder Herkunft und Nation gemeint. Lesen Sie mehr dazu.

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Ich arbeite gerne mit Unternehmen zusammen. Sie können mich ebenfalls gerne bezüglich folgender Punkte anfragen:



Verwendete Quellen anzeigen

Redmann, B. (2017). Agiles Arbeiten im Unternehmen: Rechtliche Rahmenbedingungen und gesetzliche Anforderungen. Haufe Lexware

Autor

Ich blogge über den Einfluss der Digitalisierung auf unsere Arbeitswelt. Hierzu gebe ich Inhalte aus der Wissenschaft praxisnah wieder und zeige hilfreiche Tipps aus meinen Berufsalltag. Ich bin selbst Führungskraft in einem KMU und Ich habe berufsgeleitend an der Universität Erlangen-Nürnberg am Lehrstuhl für IT-Management meine Doktorarbeit geschrieben.

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