Die Begriffe Arbeit 4.0, Digital Leadership und Agilität sind in aller Munde und beschäftigen die deutsche Unternehmenslandschaft, die speziell durch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) geprägt ist, welche eine wichtige Stütze der deutschen Wirtschaft sind. Dabei besitzen sie jahrelang aufgebaute Erfahrung und Innovationskraft. Jedoch gilt es zu beachten, dass dieser Erfolg nicht zwangsläufig für die nächsten Jahrzehnte gewährleistet ist.

Digitaler Wandel in deutschen Unternehmen

So streben viele Unternehmen einen digitalen Wandel an und schaffen die Voraussetzungen für die genannten Begriffe, also eine flexiblere und selbstbestimmte Arbeit, welche die Innovationskraft und Attraktivität für Fachkräfte steigern sollen.

Einerseits werden mobile Devices wie Laptops und Smartphones eingeführt und andererseits Cloudsoftware zur orts- und zeitflexiblen Arbeit. Hinzu kommen neue Arbeitsmodelle und agile Teams. Doch in diesem Spannungsfeld finden sich noch zahlreiche offene Fragen, die im Roundtable behandelt werden sollen. Im Folgenden werden die Teilnehmer aufgelistet.

Position Art Anzahl MA
Vorstand IT (Angestellte) Gewerkschaft 120.000 Mitglieder
IT-Direktor Medien 600
IT-Leiter E-Commerce 20
Agile Coach IT-Dienstleister 7000
Marketing-Leiter IT-Dienstleister 400
Marketing-Leiter IT-Dienstleister 120
Aufsichtsrat Maschinenbau 120
Geschäftsführer IT-Dienstleister 100

Vorstudie im Zuge des Roundtable

Dieser Roundtable baut auf das Wissen aller Studien und vorherigen Roundtables auf. So gibt es neben vier weiteren Roundtables auch eine Befragung von 30 Unternehmen sowie eine Befragung von 72 Führungskräften zu den drei Themenbereichen (Arbeit, Führung, Organisation) im Roundtable. Ziel war es, die Ergebnisse gemeinsam zu erörtern.

Software und Hardware in Unternehmen

In der Befragung der Unternehmen hat sich gezeigt, dass sogar in den kleinsten Unternehmen exponentiell Technologie eingeführt wird. So wird neben mobilen Devices wie Smartphones und Laptops auch mobile Software wie Cloudservices eingeführt. Dies ist Voraussetzung für eine mobilere Arbeit. Auch Remote-Arbeit und verteilte Teams nehmen von Monat zu Monat zu und erste KMU erproben ebenfalls verteilte Teams. In den Konzernen ist dies schon länger gegeben. Somit sind die Voraussetzungen für mobile und virtuelle Arbeit bereits geschaffen.

Lesetipp: Wie steht es um die digitale Arbeitswelt

Virtualisierung von Arbeit in Unternehmen

Die Führungskräfte in der Befragung zeigten auf, dass sich bereits zahlreiche Mitarbeiter im Homeoffice oder in mobiler Arbeit befinden. Auch standortübergreifende Arbeit ist verbreitet und Führungskräfte müssen zunehmend auf Distanz führen. Dies geschieht mithilfe virtueller Tools und bekannter Methoden wie E-Mail und Telefon. Auch muss stetig zwischen Online und Offline (Medienbruch) unterschieden werden. Die Arbeit mit digitalen Tools benötigt jedoch laut den Führungskräften Coaching. Dies ist eine der Hauptaufgaben einer Führungskraft. Im Folgenden finden sich nun die Ergebnisse des Roundtables.

Lesetipp: Was ist Digital Leadership

Arbeit 4.0

Die zunehmende Digitalisierung der Arbeit bietet die Möglichkeit mit verteilten Teams oder auf „Distanz“ zu arbeiten. Auch mobile Arbeit und Homeoffice sind nur durch mobile Technologien wie u. a. Laptops und Smartphones möglich. Die Teilnehmer stimmen zu, dass virtuelle und remote Arbeit zunehmend mehr Einzug in deutsche Unternehmen finden. Dies ist im Konsens der Teilnehmer nicht mehr aufhaltbar und man „dürfe keine Mauern bauen“.

Mitarbeiter in Unternehmen, die sich nicht an virtuellen Meetings beteiligen, werden zunehmend von der Informationskette abgeschlossen sein und damit kaum noch effizient arbeiten können. Auch der Vorstand der Gewerkschaft merkt an, dass speziell die Ausgestaltung der Vision von New Work aktuell die oberste Priorität in seinem Umfeld hat.

Arbeit 4.0
Es findet eine Verschiebung zwischen klassischer Arbeitswelt mit fixen Ort, Zeit und Strukturen hin zu flexibler Arbeit statt (Eigene Darstellung angelehnt an Petry 2016, S. 103)

Orts- und zeitflexible Arbeit

Die Teilnehmer glauben, dass neue Arbeitsformen speziell für KMU eine große Chance sind und dadurch Fachkräfte angelockt werden können. So erwarten die Teilnehmer der KMU, dass viele individuelle Arbeitsverträge und Modelle notwendig sein werden. Auch bemerkt der Marketing-Leiter des IT-Dienstleisters, dass eine hohe rechtliche Hürde mit Homeoffice verbunden ist und sieht dies neben der fehlenden Technologie als ein bisheriges Hindernis.

Es nützt nichts zu sagen „Ihr habt flexible Arbeitszeit, aber seid bitte um 8:30 Uhr da“ (Agiler Coach – IT-Konzern)

Neue Arbeitsmodelle fokussieren sich auf eine erhöhte Work-Life-Balance und Flexibilität in der Arbeitsausführung. Dies glauben auch die Teilnehmer, allerdings fordert dies eine höhere Selbstorganisation, die zu Überlastung und Stress führen kann. Diese muss laut den Teilnehmern geschult und trainiert werden.

Fit für den Markt

Einhergehend mit dieser neuen Flexibilität in der Arbeitsausübung steigt laut den Teilnehmern auch die Wettbewerbsfähigkeit. Arbeit kann flexibler und freier ausgeführt werden, was die Motivation und die Innovationsfähigkeit erhöht. Auch kann viel flexibler auf Kundenwünsche reagiert werden. So kann ein Mitarbeiter, der z. B. tagsüber sein Kind von der Schule abholen muss, gern abends noch eine wichtige Präsentation für den Kunden fertigstellen, so der Geschäftsführer des IT-Dienstleisters. Jedoch ist durch die Flexibilität auch eine erhöhte Fluktuation gegeben. Arbeit auf Distanz ermöglicht eine höhere Wechselbereitschaft, so die Teilnehmer. Dies zu verhindern sei Aufgabe der Führung in Unternehmen. Im nächsten Absatz wird deswegen Führung unter dem Begriff Digital Leadership behandelt.

Lesetipp: was ist Arbeit 4.0

Digital Leadership

„Ich lenke über Ziele“, sagt der IT-Direktor des Medienunternehmens. „Ich gebe Rahmen vor und leite an, aber ich führe nicht mehr.“ Jedoch empfiehlt dieser trotzdem präsent zu sein, indem 1–2 Tage pro Woche als mobile Arbeit ausreichend sind.

Die Frage, die sich für die Teilnehmer stellt, ist, wie mit Mitarbeitern umgegangen werden kann, die vor Ort sein müssen, wie z. B. Mitarbeiter im klassischen Marketing. Auch ergibt sich immer mehr das Bedürfnis, speziell mit steigender Digitalisierung, nicht einen Mitarbeiter, sondern ein Team zu führen. Alle Teilnehmer erproben dies aktuell durch Trial und Error. Allerdings ist es aktuell für die Teilnehmer eine der größten Herausforderungen, eine Gruppe zu führen.

Die Dynamik einer Gruppe kann eine so hohe Kraft haben, dass es als Führungskraft eine Herkulesaufgabe ist, diese zu führen (IT-Leiter des E-Commerce Dienstleisters)

Loslassen von Mitarbeitern

Laut den Teilnehmern ist „Loslassen“ das Wort, das mit Distanzführung gleichgesetzt wird. So findet der IT-Direktor des Medienunternehmens: „Man muss auch mal damit leben, dass man nicht weiß, wo ein Mitarbeiter ist und wann er anfängt zu arbeiten.“ Wichtig ist jedoch, jedem eine Heimat, also eine Zugehörigkeit zum Projekt oder Unternehmen zu geben. Ansonsten könnte der Mitarbeiter den Bezug zum Unternehmen verlieren.

Optimale Teamgröße auf Distanz

Ein Punkt war die optimale Teamgröße. Auf der einen Seite präferiert ein Teilnehmer 20–25, ein anderer bis 10 und ein weiterer nicht mehr als 7 (Scrum Team) Personen. Man ist sich also diesbezüglich nicht einig. Einerseits fördert eine kleine Teamgröße eine individuelle Führung und andererseits eine höhere Teamgröße die Selbststeuerung von Mitarbeitern.

Digitale Reifegrade

Doch wie führe ich Menschen mit unterschiedlichem digitalem Reifegrad? Einige verweigern Technologie und andere wollen diese, so der Konsens der Teilnehmer. Auf der einen Seite bemerken die Teilnehmer mit einem digitalen Wandel eine Fluktuation von Mitarbeitern, die allerdings akzeptiert werden muss. Jedoch müssen laut den Teilnehmern verschiedene Abteilungen und Projekte geschaffen werden, in denen Mitarbeiter mit niedrigen und hohen Reifegraden arbeiten können. Allerdings wird laut allen Teilnehmern eine gewisse Offenheit gegenüber Technologie immer gefordert sein, aber auch Rücksicht von Digital Natives gegen weniger technikaffine Mitarbeiter.

Eine Führungskraft muss Präsenz trotz Distanz wahren! (IT-Direktor des Medienunternehmens)

Digital Leadership
Dimensionen und Spannungsfelder des digitalen Leaderships (Lindner & Greff 2017)

Führung in der Holakratie

Der Marketing-Leiter des IT-Dienstleisters hat vor einigen Jahren einen Teil seines Unternehmens holakratisch organisiert. Er merkt dazu an, dass sich immer ein freiwilliger Leader herauskristallisiert, der von allen akzeptiert wird. Dieser wechselt jedoch sogar relativ oft und Rollen werden flexibel immer wieder neu vergeben. Natürlich limitiert er, dass es speziell vor dem Kunden immer einen Projektleiter geben muss, weil dieser einen Ansprechpartner erwartet. Er sieht es jedoch auch als schwer an, eine Gruppe zu führen und Gruppendynamik zu beherrschen und blickt gespannt darauf, wie sich die Holakratie in seinem Unternehmen weiterentwickelt.

Zusammenfassend ist für die Teilnehmer gute Führung einerseits das Loslassen und andererseits das Ausüben von Kontrolle. Eine Führungskraft soll eine hohe Bandbreite von Methoden beherrschen und diese nach digitalem Reifegrad anwenden. So ist der Konsens der Teilnehmer:

Führung wird agiler, aber nicht vollkommen agil (IT-Leiter des E-Commerce-Dienstleisters)

Agile Organisation

Organisationen werden „instabiler“, stimmen die Teilnehmer überein. Es wird laut den Teilnehmern deutlich weniger Einheiten geben, allerdings nicht nur kleine unabhängige Teams, sondern auch weiterhin große Einheiten. Dennoch sind sich die Teilnehmer einig, dass Organisationen sich schon immer wandeln und dauerhaft verändern, allerdings nun ein neuer Umstand ist, dass die Teilnehmer eine höhere Instabilität verspüren. Das Streben nach festen und klaren Einheiten (Silos) nimmt stetig ab. Die Frage für die Teilnehmer ist allerdings:

Wie instabil mache ich meine Organisation, damit sie trotzdem stark bleibt? (Marketing-Manager des IT-Dienstleisters)

Keine bimodalen Unternehmen

Die Teilnehmer glauben nicht, dass es ein Unternehmen der zwei Geschwindigkeiten geben wird wie z. B. eine „alte“ und „neue Welt“. Sie glauben, dass jede Einheit ihre eigene Geschwindigkeit haben wird und es deswegen viele Geschwindigkeiten gibt. So wird kritisiert, dass ein HR sicher nicht immer so schnell wie ein Vertrieb sein muss oder dies je nach Unternehmen auch umgekehrt der Fall ist. Auch werden Abteilungen immer hybrid bleiben und alle Teilnehmer sind sich sicher, weiterhin auch ab und zu Zettel und Stift zu verwenden oder an einem Flipchart zu malen.

Lesetipp: was ist agil?

Startups in Unternehmen

Das Problem an kleinen Einheiten sehen die Teilnehmer darin, dass die kleinen autonomen Teams (Schnellboote) oft nicht sinnvoll in die Organisation integriert werden können und der Abstand zu dieser mit der Zeit immer größer wird. Fokus muss es sein, das aktuelle Kerngeschäft sinnvoll und langsam zu wandeln. Jedoch ist auch das eine oder andere Schnellboot immer sinnvoll für ein spezielles Projekt, so der Konsens der Teilnehmer.

Agile Organisation
Ein Unternehmen als Molekül. Die Teilnehmer nutzen die Metapher aus der Physik zur Bildung eines Modells für evolutionäre Unternehmen.

Fazit

Die Teilnehmer bemerkten am Ende des Roundtable, dass wir vor einem fundamentalen gesellschaftlichen Wandel stehen. Die Erkenntnisse regten jeden Teilnehmer zum Nachdenken und zur Reflexion an. Erst durch den Roundtable wurden die Tragweite und die vielen offenen Spannungsfelder klar, die sich durch die zunehmende Digitalisierung ergeben.

Da dies im Zuge meiner Doktorarbeit der letzte Roundtable war, möchte ich mich ganz herzlich bei allen Teilnehmern bedanken und freue mich auf die nun finale Auswertung all meiner Forschungsergebnisse!

Lesetipp: Was ist digitale Transformation

Ausblick

Im Zuge der Forschung habe ich die drei Themenbereiche beleuchtet und möchte nun daraus ableiten, wie eine zunehmende Digitalisierung ein Unternehmen verändert. Auf der einen Seite ergeben sich jede Menge Chancen, allerdings aber auch viele offene Fragen und es scheint, als ob sich mittlerweile grundlegende Werte wie z. B. von Führung und auch Arbeit in der Ausführung wie auch in den Anforderungen an Arbeitnehmer ändern.

Für eine Weiterführung würde ich empfehlen, auch andere Bereiche zu beleuchten und meine Ergebnisse zu vertiefen, um dies für einzelne Branchen und Unternehmensformen auszudifferenzieren. Schauen Sie auf jeden Fall auch in die Berichte meiner anderen Roundtables.

Genderhinweis: Seit Anfang 2022 achte ich darauf, dass ich immer genderneutrale Formulierungen verwende. Vor 2022 habe ich zur leichteren Lesbarkeit die männliche Form verwendet. Sofern keine explizite Unterscheidung getroffen wird, sind daher stets sowohl Frauen, Diverse als auch Männer sowie Menschen jeder Herkunft und Nation gemeint. Lesen Sie mehr dazu.

Rechtschreibung: Ich führe diesem Blog neben dem Job und schreibe viele Artikel in Bahn/Flugzeug oder nach Feierabend. Ich möchte meine Gedanken und Ansätze als Empfehlungen gerne teilen. Es befinden sich oftmals Tippfehler in den Artikeln und ich bitte um Entschuldigung, dass ich nicht alle korrigieren kann. Aber Sie können mir helfen: Sollten Sie Fehler finden, schreiben Sie mich gerne an! Lesen Sie mehr dazu.

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Autor

Ich blogge über den Einfluss der Digitalisierung auf unsere Arbeitswelt. Hierzu gebe ich Inhalte aus der Wissenschaft praxisnah wieder und zeige hilfreiche Tipps aus meinen Berufsalltag. Ich bin selbst Führungskraft in einem KMU und Ich habe berufsgeleitend an der Universität Erlangen-Nürnberg am Lehrstuhl für IT-Management meine Doktorarbeit geschrieben.

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