Der Streamingdienst Spotify wurde 2006 gegründet, verzeichnet heute Umsätze von über 4 Mrd. Euro und hat 3000 Mitarbeiter. Diese Erfolgsstory kann auf verschiedenste Faktoren zurückgeführt werden. Eine davon ist die agile Organisationsform von Spotify, welche mittlerweile von zahlreichen Unternehmen als Vorbild genommen wird.
Lesetipp: Spotify Modell in klassischen Unternehmen
Spotify Modell – wie sieht es in der Praxis aus?
Schlägt man aktuelle Magazine auf, findet man u.a. folgende Schlagzeile: „ING – eine Bank auf Speed„. Dabei strebt die ING DIBA mithilfe einer großen Umstrukturierung einen agilen Wandel nach den Vorbild von Spotify an.
Weiterhin finden sich in der IT der deutschen Telekom ebenfalls Squads, Tribes und Chapters aus den Spotify Modell. Dabei hat die Telekom aktuell etwa 15 Squads, welche auf vier Tribes verteilt sind. Zitat eines agile Coachs der Telekom dazu ist: „Wir haben das Spotify-Modell für uns adaptiert. Die Herausforderung dabei ist, dass die Struktur nicht, wie bei Spotify, organisch gewachsen ist. Sie wurde vielmehr aufgesetzt und wir als agile Coaches müssen dafür sorgen, dass das funktioniert.“
Ein letztes Beispiel ist das Unternehmen Rewe, welches mit der Ausgründung Rewe Digital (z.B. Rewe Lieferservice) mittlerweile ebenfalls Chapter, Tribes und Squadleads sucht. Dabei sind die 150 Mitarbeiter nach Squads und Tribes aufgeteilt, welche nach der Methodik Scrum arbeiten.
Spotify Modell – wie funktioniert es?
Doch wie funktioniert dieses Modell, welches Großkonzerne als Vorbild nehmen? Ich möchte dazu die Grundbausteine erläutern. Das Modell gliedert sich in Squads. Dies sind lose Gruppen, welche einen bestimmten Zweck haben und agil arbeiten. Jeder Squad hat einen gewählten Squadlead, der die Belange des Teams vertritt.
Verschiedene Squads werden zu einem Tribe zusammengefasst, welcher einen Tribelead hat. Um auch einen fachlichen Austausch möglich zu machen, sind Chapter vorgesehen. Ein Chapter ist wie eine Usergroup zu sehen. Diese beschäftigt sich mit einem bestimmten Thema z.B. Datenbanken und legt Standards sowie Technologien im Unternehmen fest. Weiterhin gibt es Gilden für bestimmte Spezialfälle.
Auf der Webseite des Spotify Modells finden sich natürlich noch zahlreiche weitere Prinzipien und Best-Practices. Allerdings reicht diese erste Erklärung für meine Einschätzung dazu, etwas über die Agilität des Modells zu sagen. Einzig erwähnen möchte ich noch die Gilden, welche sowas wie Usergroups zum Austausch von Wissen sind.
Spotify Modell – was sind die Vorteile?
Der große Vorteil dieses Modells ist die Skalierung. Durch die Tatsache, dass Sie autonome Squads schaffen, können Sie diverse Themen einfach skalieren. Beispiele sind:
- Prämien können den Squads zugeteilt werden und diese teilen es auf
- Dem Squad kann ein Gehaltsbudget zugeteilt werden, welches der Squad selbst verteilen kann
- Der Squad kann den Squadlead selbst bestimmen
- Jeder Squad kann eine andere Arbeitsmethodik (klassisch, Scrum, Kanban) haben
- Squads können über Ziele oder OKRS gesteuert werden
Sie merken, dass die Squads recht agil gesteuert werden können und Sie eine Vielzahl von Management-Aufwand sparen können. Ich kann mir vorstellen, dass eine Firma mit 100 Mitarbeitern aus 2-3 Vorständen bestehen kann und 10-12 Squads. Diese extrem flache Hierarchie verspricht Effizienz und Geschwindigkeit.
Spotify Modell – wie schneide ich meine Squads?
Das wichtige ist, dass Sie Ihre Squads schnell und gut schneiden können. Viele Unternehmen tun sich dabei sichtlich schwer. Spotify selbst hat die Teilung nach Funktionen auf der Website vorgenommen. Weitere Möglichkeiten wären Teilungen nach:
- Branchen (Dienstleister)
- Kunden (z.B. IT-Dienstleister)
- Produkte (Produkthaus)
- Funktionen (IT-Haus)
- Sparten (z.B. Konzern)
Spotify Modell – wie ist meine Erfahrung?
Ich habe das Glück, dass mein Unternehmen aktuell auch in einer Abteilung dieses Modell umsetzt und ich maßgeblich am Change beteiligt war. Ich möchte deswegen aus meinen ersten Erfahrungen erzählen wie agil dieses Modell meiner Meinung nach ist. Die Abteilung hat 28 Mitarbeiter.
Ich muss als erstes sagen, dass wir unsere Squads nach Kunden und nicht Produkten oder Funktionen ausgerichtet haben und jeder Squad 1-3 Kunden gezielt bearbeitet. Wir haben 5 Squads und übergreifend 3 Chapter, welche sich über Technologien austauschen. Aufgrund der kleinen Größe haben wir nur einen Tribe und keine Gilden. Weiterhin versuchen wir die Werte von Scrum umzusetzen.
- Fokus: Jeder Squad hat einen Kunden
- Offenheit: Jeder Squad ist offen für seine Kunden
- Mut: jeder Squad hat direkten Kontakt zum Kunden und hat den Mut für seine Ideen einzustehen
- Respekt: Wir respektieren unseren Kunden und den Erfolg des Kunden
- Commitment: Unser Kunde steht im Mittelpunkt
Sie können übrigens noch ein super umfangreiches Beispiel lesen, wie ich ein Spotify Modell umgesetzt habe.
Lesetipp: Spotify Modell in klassischen Unternehmen
Spotify Modell – wie agil ist es?
Ich muss sagen, dass sich dieses Modell für uns sehr gut eignet und wir damit eine Verbesserung der Kundenzufriedenheit speziell in der DevOps und Scrum Arbeitsweise erreicht haben. Auch die Mitarbeiter schwärmen von den zahlreichen Möglichkeiten durch die Selbstorganisation der Squads. Ich halte deswegen dieses Modell für eine wirklich gute Alternative und glaube, dass Unternehmen sich auf jeden Fall ein Beispiel daran nehmen sollten. Wir haben durchweg gute Erfahrungen gemacht und das Modell ist einfach zu verstehen. Auch geben die Best-Practices von Spotify tolle Hinweise und es handelt sich nicht um ein kommerzielles Framework.
Lesetipp: Agilität in Dienstleistungsunternehmen
Spotify Modell – welche Kritik gibt es?
Erste Kritik ist, dass das Modell schon etwas Älter ist und sich die Welt mittlerweile verändert hat. Weiterhin glauben Experten, dass das Spotify Modell nur die Probleme von Spotify löst und damit nicht übertragen werden kann und drittens wurde das Modell von Spotify mittlerweile sogar schon verändert. Natürlich wird man niemals ein Modell einfach so kopieren können, allerdings können gewisse Impulse oder Ideen aus dem Modell genommen und in der eigenen Organisation umgesetzt werden.
Spotify Modell – wie kann ich Kultur messen?
Ich kann ausserdem den Tipp geben, dass Sie als Führungskraft vor allem auf die Einhaltung des Squadspirit als auch der Werte achten müssen, da Motivation und Zusammenhalt im Squad absolut entscheidend für die Performance sind. Dazu gibt es den Spotify Squad Healthcheck. Sie checken anhand verschiedenster Kriterien die Zufriedenheit der einzelnen Squads.
Tipp: Laden Sie sich die Vorlage gerne hier und passen Sie diese an!
Was ist der Vorteil dieses Modells? Sie können sehr schnell die Kultur Ihrer Abteilung checken. Ich möchte dazu ein Beispiel geben. Sie fragen dazu verschiedene Kriterien Ihres Teams ab.
In den Spalten können Sie die Hauptunterschiede zwischen den verschiedenen Squads erkennen. Squad 2 ist mit so ziemlich allem zufrieden. Squad 3 hat viele Probleme, jedoch gibt es einen positiven Trend bei fast allen Punkten.
In den Reihen können wir systemische Muster erkennen. Jedes Squad hat Spaß bei der Arbeit (und der Trend geht sogar noch weiter nach oben!). Motivation scheint demnach kein Problem zu sein. Allerdings machen die Prozesse Probleme. Mit der Zeit wird das sicherlich auch den Spaßfaktor bei der Arbeit beeinträchtigen.
Im Gesamtbild kann man sehen, dass viele Pfeile nach oben zeigen. Das bedeutet, dass der Verbesserungsprozess (der wichtigste Prozess überhaupt) funktioniert.
Fazit
Ich denke, dass die Idee des Spotify Modell eine Grundlage ist um Agilität in eine klassische Organisation zu bringen. Nachdem Sie die Squads etabliert haben, können Sie so die Mehrzahl der agilen Best-Practices in der Organisation umsetzen. Ich sehe die Idee des Modells also als eine Grundlage um Agilität zu skalieren.
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