Forschungsmethoden haben jeweils Vor- und Nachteile und es gilt diese bewusst danach auszuwählen. Eine Auswahl der Forschungsmethode wird in der Regel durch die Vorteile begründet und anschließend auch sinnvoll durch Nachteile limitiert.
In der Bachelorarbeit müssen Sie beispielsweise argumentieren, warum Sie ein Experteninterview der Befragung vorgezogen haben. Da Ihre Methode natürlich nicht das gesamte Wissen zu dem Thema aufdeckt, sollte diese dann auch sinnvoll limitiert werden. Ich zeige in diesem Artikel die jeweiligen Vor- und Nachteile jeder Methodik.
Tipp: Nutzen Sie die Vorteile um die Auswahl zu begründen und packen Sie die Nachteile in die Limitierung Ihrer Arbeit.
Literaturanalyse
Literaturanalysen bilden die Fundierung jeder Forschung und fassen ähnliche Erkenntnisse zusammen. Es hilft beim Verständnis, der Strukturierung des vorhandenes Wissens und des Findens von Forschungslücken.
Dennoch gilt es folgende Punkte zu limitieren:
- Neuheit: Oft fassen Literaturanalysen nur vorhandenes Wissen zusammen und generieren keine neuen Erkenntnisse.
- Unvollständigkeit: Sie können je nach Verfahren nur einen Teil der Literatur finden und müssen sich auf bestimmte Paper konzentrieren, da sie nicht alle vollständig lesen können. Sie sind immer nur eine Auswahl an Erkenntnissen.
Lesetipp: Literaturanalyse
Experteninterviews
Der Vorteil der Methode ist die freie und natürliche Situation der Interviews. Sie können Ergebnisse tiefgreifend mit den Probanden interpretieren und Nachfragen stellen. Sie kontrollieren ebenfalls die Interviewsituation und stellen sicher, dass der Proband nicht z.B. gestresst ist und Aussagen deswegen anders zu interpretieren sind. Auch bieten Sie einen hohen Informationsgehalt durch die ausführlichen Antworten der Probanden.
Dennoch gilt es folgende Punkte zu limitieren:
- Soziale Unerwünschtheit: Probanden können durch die Anwesenheit des Forschers Antworten „schönen“
- Sampling: Sie befragen nur eine kleine Gruppe und sind damit wenig repräsentativ
- Subjektivität: Die Auswertung der Antworten ist subjektiv und kann auf verschiedenste Arten interpretiert werden
Lesetipp: Experteninterviews
Gruppendiskussion
Der große Vorteil der Gruppendiskussion ist, dass die Interaktion der Teilnehmer zu neuen Erkenntnissen führen kann (kollektive Intelligenz). Sie finden dadurch neue Perspektiven und Anregungen. Außerdem können Sie Nachfragen stellen und erhalten verschiedene Sichtweisen auf das gleiche Thema durch die Gruppe.
Dennoch gilt es folgende Punkte zu limitieren:
- Vielredner: Einzelne Vielredner können die Diskussion dominieren und verfälschen
- Geringe Repräsentativität: Sie befragen nur eine geringe Zielgruppe
- Auswertung: Durch die Vielzahl der Meinungen können Sie nur schwer den Gruppenkonsens darstellen.
Lesetipp: Gruppendiskussion
Fallstudie
Fallstudien stellen komplexe Sachverhalte schnell und einfach dar. Sie stören dabei weder Prozesse noch die natürliche Situation. Sie liefern deswegen eine detaillierte Beschreibung eines komplexen Einzelfalls.
Dennoch gilt es folgende Punkte zu limitieren:
- Begrenzte Generalisierung: Oft gelten Erkenntnisse nur für diese Fallstudie
- Extremfälle oder Einzelfälle können nicht klar erkannt werden: Haben Sie z.B. das einzige Projekt in dieser Art zufällig erwischt und es ist sonst nicht so
- Subjektive Daten: Sie stellen die Fallstudie aus Ihrer Sicht bzw. der Beobachter dar und sind damit subjektiv
Lesetipp: Fallstudie
Befragung
Der große Vorteile von Befragungen ist, dass schnell eine große Masse an Personen erreicht werden kann. Auch ist im Gegensatz zu Interviews eine Auswertung großer Datenmengen schnell möglich. Außerdem kann durch den Fragebogen der Einfluss den der Interviewer auf den Probanden wirkt ausgeschlossen werden (Ein Interview macht i.d.R. Probanden nervös).
Dennoch gilt es folgende Punkte zu limitieren:
- Fehlende Kontrolle der Befragungssituation: Sie wissen nicht ob der Befragte gerade im Stress ist oder die Fragen nur überfliegt
- Ehrlichkeit der Befragten: es könnte passieren, dass Fragen nicht vollkommen ehrlich beantwortet werden
- Unterschiedliche Auffassungen über die Frage: jeder Teilnehmer wird Ihre Fragen unterschiedlich interpretieren
- Antworten können nicht qualitativ interpretiert werden: Die Ergebnisse liefern Fakten und Daten, welche durch qualitative Verfahren interpretiert werden sollten
Lesetipp: Befragung
Referenzmodellierung
Referenzmodelle stellen komplexe Sachverhalte einfach dar und generalisieren diese. Sie dienen vor allem zum besseren Verständnis und der Übertragbarkeit von komplexen Sachverhalten.
Dennoch gilt es folgende Punkte zu limitieren:
- Übertragbarkeit: Das Modell kann nicht in jedem Kontext exakt so verwendet werden. Sie geben kein vorgefertigtes Lösungsschema
- Abstraktion: Oft sind diese Modelle sehr abstrakt und leisten keinen Beitrag zur Lösung, sondern nur zum Verständnis
Lesetipp: Referenzmodellierung
Grounded Theory
Der Vorteil der Methodik ist die ständige Neustrukturierung der Forschung und die hohe Anwendbarkeit. Es eignet sich damit für unbekannte Forschungsbereiche ohne viel Literatur oder einen Sachverhalt stark zu fundieren („grounden“).
Dennoch gilt es folgende Punkte zu limitieren:
- Abhängig vom Forscher: Da Sie sehr frei arbeiten ist die Auswertung abhängig vom Forscher, da jeder Forscher die Daten anders auswerten würde. Diese Methodik braucht einen sehr guten Forscher.
- Komplexität: Aufgrund des oft unscharfen Forschungsthemas sind die Ergebnisse meist nur Richtlinien und so komplex, dass diese möglicherweise noch sehr ungenau sind und weitere Iterationen notwendig sind.
- Gebundenheit: Durch die ausgewählten Datenquellen ist die Grounded Theory an eine bestimmt soziale Realität gebunden ist und nicht übertragbar
Lesetipp: Grounded Theory
Fazit
Es zeigt sich, dass jede Forschungsmethode gewisse Vor- und Nachteile hat. Es gilt deswegen für die gute wissenschaftliche Arbeit diese sinnvoll auszuwählen und zu limitieren.
Lesetipp: Forschungsdesign aufbauen
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Gibt es noch Fragen?
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