Eine der vier größten Herausforderungen für Personaler im Mittelstand ist die Aufgabe, Talente zu finden und zu entwickeln. Vor dem Hintergrund des viel diskutierten Fachkräftemangels überrascht dies nicht. Rund drei Viertel der 323 befragten Unternehmen geben an, dass die Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter den Schwerpunkt für die Personalarbeit in den kommenden drei bis fünf Jahren bilden wird, so das Magazin Haufe. Neben Haufe sprechen noch viele andere Magazine von einem Fachkräftemangel im Mittelstand.

Was ist eigentlich Fachkräftemangel?

Wikipedia sagt dazu: Als Fachkräftemangel bezeichnet man den Zustand einer Wirtschaft, in dem eine bedeutende Anzahl von Arbeitsplätzen für Mitarbeiter mit bestimmten Fähigkeiten nicht besetzt werden kann, weil auf dem Arbeitsmarkt keine entsprechend qualifizierten Mitarbeiter (Fachkräfte) zur Verfügung stehen. Gibt es aktuell also einen Fachkräftemangel im Mittelstand?

Kein Mangel an Berufseinsteigern

Schaut man in aktuelle Studien, gibt es den Fachkräftemangel im Mittelstand eigentlich nicht bei Berufsanfängern, sondern speziell im Bereich der Seniors. Auch Stellen wie Big Data Experts und Industrie 4.0 Experten, was zunehmend neue Berufe sind, können nicht besetzt werden, weil es einfach nicht genug Leute gibt.

Auch klar ist, dass Unternehmen gerne Leute einstellen, welche direkt beim Kunden eingesetzt werden können, weil diese schon dort gearbeitet haben. Eine Einarbeitung kostet viel Kraft und Geld und Unternehmen verzichten gerne auf diese Kosten.

Am Beispiel von Consulting Unternehmen zeigt sich das recht deutlich: Der Großkunde des Unternehmens hat immer Bedarf für neue Berater. Das heißt, dass jeder qualifizierte Berater dort sofort unterkommt; was bedeutet, dass diese Unternehmen das gesamte Jahr einstellen, sobald sich ein guter Kandidat bewirbt.

Traditionelle HR in der Kritik – Fachkräftemangel im Mittelstand

Der Fachkräftemangel im Mittelstand kostet laut dem BVMW jährlich rund 33 Milliarden Euro an Umsatzeinbußen bzw. nicht realisierten Umsätzen. Der Mittelstand reagiert darauf mit einer nachhaltigen Personalstrategie: So ist derzeit das wichtigste personalpolitische Thema, gute Mitarbeiter an sich zu binden. 63 Prozent der Unternehmen messen der Mitarbeiterbindung eine große bzw. sehr große Bedeutung zu. Die Fluktuation der eigenen Mitarbeiter zu verhindern hat sogar eine höhere Priorität als neue Mitarbeiter zu rekrutieren: Recruiting ist mit 45 Prozent nur das fünftwichtigste Thema in mittelständischen Personalabteilungen (Quelle BVMW).

Wie Bewerber HR über den Tisch ziehen

Im Magazin Haufe hat Prof. Dr. Kanning in seiner Kolumne: „Wie Bewerber HR über den Tisch ziehen“ untersucht, was eigentlich in Bewerbungsgesprächen passiert.

Die Personalauswahl hat in vielen Unternehmen den Charakter eines Bühnenstücks, bei dem die Ratgeberliteratur das Skript liefert: Der Bewerber weiß, welche Informationen er in seinem Anschreiben übermitteln muss – außergewöhnliche Eignung, hohe Motivation, Begeisterung für einen einzigartigen Arbeitgeber – und das Unternehmen glaubt, in genau solch einem Anschreiben einen guten Kandidaten erkennen zu können (Quelle Prof. Dr. Kanning)

Er zeigt auf, dass Bewerber sehr gut auf Standardprozesse vorbereitet sind und genau wissen, was Unternehmen hören wollen. Als Resultat werden also immer wieder die gleichen Abläufe vorgenommen, welche zu immer gleichen Kandidaten führen. Er fasst dies mit folgendem Zitat gut zusammen:

Im Assessment Center taucht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Gruppendiskussion auf und alle Bewerber scharren mit den Hufen, um als Erste zum Flipchart zu rennen und die Sitzung zu strukturieren.

Handlungsempfehlung für eine Agile HR: authentisch und ehrlich

Dieser Artikel hat mich dazu bewegt nachzudenken. Schaut man in die Brand eins, findet man in der aktuelle Spezialaufgabe „Consulting“ folgendes: Wer hätte das gedacht? Da haben ganze Generationen von Personalern den Menschen beschworen; sie haben ihn beobachtet und bestaunt, ihn gemessen und gewogen, ihn belohnt und bestraft, ins Zentrum all ihrer Bemühungen gerückt – und ihn am Ende doch eher als Störenfried, denn als Mittelpunkt empfunden. Und jetzt, wo wir alle nur noch über Technologie reden, über Digitalisierung, künstliche Intelligenz, neue Tools und Transformationen, ausgerechnet jetzt ist der Mensch wieder in den Fokus gerückt. Und diesmal kommen wir nicht an ihm vorbei.

Besonders die Arbeit im Consulting sowie im Mittelstand ist auf Menschen aufgebaut und ein Mittelständler kann monetär oft nicht so viel bieten wie ein großer Konzern. Oft hatte ich selbst Gespräche mit Unternehmen und es wurde mir immer wieder das gleiche übermittelt: spannende Projekte, renommierte Kunden, tolle Kollegen und kurze Entscheidungswege. Nach ca. 10 Gesprächen hatte ich mich gefragt: Wann kommt mal was Neues? Auch der Tenor in meiner Umgebung ist ähnlich:

Die Jobs sind alle irgendwie gleich. Man ist irgendwo in der IT, wird das ganze Jahr zu einem Kunden gesteckt und arbeitet dort. Dann sieht man sich wieder zur Weihnachtsfeier. Kann mir eigentlich egal sein, ob das Firma X oder Y ist (Befragter im Zuge des Artikels).

Bewerbungsverfahren vs. ein lockeres Gespräch

Eines Tages traf ich jedoch Unternehmen, welche anders waren. Irgendwie unprofessioneller, aber authentisch und ehrlicher. Die Bewerbungsgespräche glichen eher einer gemeinsamen Tasse Kaffee und einem Austausch der Hobbys. Begründung war: Die Aufgaben sind so vielfältig, dass es wichtig ist, was der Bewerber bereit zu lernen ist, und wie motiviert dieser ist. Die jetzigen Fähigkeiten waren auch in der Praxis zumeist langfristig zweitrangig.

Arbeiten Sie bei uns! Wir sind flexibel!

Auch die Argumente, warum man hier arbeiten sollte, waren anders: Es waren Unternehmen, welche mir nicht mit Kunden oder Teams argumentierten, sondern mit flexibler Arbeit, Homeoffice und Vereinbarkeit von Nebenprojekten und langen Reisen. Es wurde zunehmend intern versucht, Verträge mit Kunden neu zu verhandeln, um ein agileres Umfeld zu bieten.

Bewerbern einen Mehrwert bieten

Ich denke man kann ein solches Verhalten schon als eine agile HR bezeichnen. Eine HR, welche den Bewerber der Generation X,Y,Z versteht. Was möchte dieser wirklich? Möchte er wirklich in tollen Flugzeugen mit den Samsonite Koffer reisen oder möchte er einfach jeden Freitag einen Tag im Homeoffice arbeiten? Mittelständler sollten sich also auf Werte besinnen und Konzepte wie u.a. „Bring your own device“ erproben. Sie glauben gar nicht, dass für viele meiner Befragten ein Hauptargument war, an einem Macbook statt Windows zu arbeiten.

Viele Dienstleister pro Kunde

Es geht darum den Bewerber zu verstehen und ihm wirklich einen Mehrwert zu bieten, warum er genau bei diesem Mittelständler arbeiten sollte. Viele Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter für einen großen Kunden arbeiten. Bei diesem sind jedoch auch viele andere Dienstleister, zu welchen der Mitarbeiter schnell wechseln, und teilweise den gleichen Job für mehr Geld machen kann. Eine agile HR muss also individuelle Argumente finden, welche für das eigene Unternehmen sprechen.

Tipps für eine agilere HR

Abschließen möchte ich diesen Artikel mit einigen Tipps von Prof. Dr. Kanning, welche in eine ähnliche Richtung gehen, untermauern. Unternehmen können eine agilere HR etablieren, …

  • … indem sie erkennen, dass die Einhaltung formaler Standards bei der Sichtung von Bewerbungsunterlagen so gut wie nichts über die Eignung eines Bewerbers aussagt;
  • … indem sie im Interview keine vorgestanzten Fragen stellen, sondern spezifisch auf die Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes eingehen;
  • … indem sie im Assessment Center reale Arbeitssituationen simulieren und mit stellenspezifischen Bewertungskriterien arbeiten und
  • indem sie nicht länger glauben, den richtigen Kandidaten auch in schlechten Auswahlverfahren noch intuitiv erkennen zu können.

In einem Artikel auf Businessinsider habe ich abschließend auch noch ein schönes Zitat gefunden. Die Autorin ist frustriert, dass es Berufsanfänger schwer haben, einen Job zu finden, da immer lange Berufserfahrung oder High-Performer gesucht werden. Sie schreibt am Ende ihres Beitrags:

Seien Sie endlich mal realistisch! Investieren Sie in Menschen, die gerne für Sie arbeiten möchten, bezahlen sie anständig und Sie erhalten loyale, lernfähige Mitarbeiter, die nicht bei der nächst besseren Gelegenheit zur Konkurrenz gehen, sondern echtes Interesse haben von Ihnen zu lernen und mit Ihnen zu wachsen (Julia von Pidoll).

Genderhinweis: Seit Anfang 2022 achte ich darauf, dass ich immer genderneutrale Formulierungen verwende. Vor 2022 habe ich zur leichteren Lesbarkeit die männliche Form verwendet. Sofern keine explizite Unterscheidung getroffen wird, sind daher stets sowohl Frauen, Diverse als auch Männer sowie Menschen jeder Herkunft und Nation gemeint. Lesen Sie mehr dazu.

Rechtschreibung: Ich führe diesem Blog neben dem Job und schreibe viele Artikel in Bahn/Flugzeug oder nach Feierabend. Ich möchte meine Gedanken und Ansätze als Empfehlungen gerne teilen. Es befinden sich oftmals Tippfehler in den Artikeln und ich bitte um Entschuldigung, dass ich nicht alle korrigieren kann. Aber Sie können mir helfen: Sollten Sie Fehler finden, schreiben Sie mich gerne an! Lesen Sie mehr dazu.

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Autor

Ich blogge über den Einfluss der Digitalisierung auf unsere Arbeitswelt. Hierzu gebe ich Inhalte aus der Wissenschaft praxisnah wieder und zeige hilfreiche Tipps aus meinen Berufsalltag. Ich bin selbst Führungskraft in einem KMU und Ich habe berufsgeleitend an der Universität Erlangen-Nürnberg am Lehrstuhl für IT-Management meine Doktorarbeit geschrieben.

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