Es sind die gegenwärtigen Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft, die Unternehmen dazu zwingen, sich mit neuen Formen der Arbeit auseinanderzusetzen. Zahlreiche neuartige Modelle finden Einzug in den Köpfen Deutscher Manager/innen – Modelle, die oft bereits in anderen Unternehmen erprobt sind. Remote Arbeit und Open Spaces sind zwei dieser Beispiele, die eine neue Art der Führung fördern.
Gemeinsam mit 5 Vertretern und einer Vertreterin von Unternehmensführungen, haben wir im dritten Roundtable zur Agilität in Unternehmen versucht, Antworten auf die Fragen zu finden, wie sich Arbeit in Unternehmen konkret verändert und welche neuen Anforderungen diese Änderungen an die Führungskräfte stellen. Da ein Kernthema des Roundtable u.a. neue Büro- und Gebäudekonzepte waren, wurde im Verlauf des Roundtables eine Führung mit einem der verantwortlichen Architekten durchgeführt, der maßgeblich am Entwurf des Gebäudes beteiligt war, in dem der dritte Roundtable stattfand.
Ablauf und Teilnehmer
Wie jeder Roundtable begann auch der dritte mit einem kurzen Get-Together, einem ersten Kennenlernen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Nach der Begrüßung haben wir die Ergebnisse aus dem vorherigen Zusammentreffen besprochen, um diese allen Beteiligten präsent zu machen.
Die Schwerpunkte des dritten Roundtables lagen, wie bereits einleitend beschrieben, auf den Themen Arbeit und Leadership im digitalen Zeitalter. Teilgenommen haben ein Agile Coach, eine Vertreterin eines großen Sport-Unternehmens, ein HR Manager, der IT-Vorstand einer Gewerkschaft, ein IT-Bereichsleiter sowie ein Aufsichtsrat eines Produktionsunternehmens.
Arbeit 4.0, Agilität und die digitale Transformation
Als Begriff befasst sich “Arbeit 4.0” mit der Zukunft der Arbeit im digitalen Zeitalter. Hintergrund sind vor allem die Probleme (aber auch Chancen), die eine fortschreitende Technisierung im Arbeitsmarkt und den generellen Strukturen von Unternehmen bewirken.
In diesem Roundtable Block diskutierten wir primär über die Begrifflichkeiten rund um das Thema und führten einen offenen Dialog über neuartige Bürokonzepte.
In diesem Dialog verdeutlichte sich für die Teilnehmer/innen, dass diese neuen Arbeitskonzepte zudem als USP der Unternehmen dienen und damit, neben einer gesteigerten Agilität, auch zur Attraktivität des Unternehmens bei Kunden und unabhängigen Betrachtern beitragen können.
Weitere Schlussfolgerungen, die sich in diesem Block ergaben sind:
- Arbeit 4.0 muss agil sein!
- Agilität braucht Freiraum!
- Gute Arbeit basiert auf Freiwilligkeit!
- Der Begriff der “Führung” muss einem “Anleiten” weichen!
- Arbeit wird künftig dynamischer und kurzzyklischer!
- Arbeit 4.0 wird digital unterstützt!
Konkret bedeuten diese Schlussfolgerungen im unternehmerischen Alltag, dass sich Mitarbeiter Aufgaben selbst stellen müssen. Allerdings kann das nur dann erfolgreich sein, wenn Mitarbeiter durch Transparenz genügend Einblicke in alle Bereiche haben und der Belegschaft seitens der Führungskraft genügend Freiräume gelassen werden. Welche Tools das Team bei der Umsetzung der (selbst gestellten) Aufgaben nutzen, ist ebenfalls freigestellt. Die Führungskraft nimmt die Rolle einer Person ein, die bei Problemen Hilfestellung leistet und den Mitarbeiter unterstützt. Auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Arbeit 4.0 und der digitalen Transformation war der Konsens der Teilnehmer, dass aktuell viele Tools im Unternehmen ausgerollt werden. Ziel ist es, den Mitarbeitern eine große Anzahl an Tools zur Verfügung zu stellen, unter denen sie frei wählen können, welches sie verwenden, und vor allem, wie sie dieses verwenden möchten. Zur These der Freiwilligkeit sagten die Teilnehmer, dass das Pull-Prinzip sehr wichtig für die Organisationen sei. Aufgaben sollen also vom jeweiligen Mitarbeiter selbst gezogen werden. In Scrum bedeutet das ganz simpel, eine Aufgabe aus dem Backlog zu wählen.
NewWork – Die Zukunft der Arbeit
Der Problemstellung von NewWork wird oft eine einfache Antwort entgegengesetzt: “Arbeite wann, wo und mit wem du willst!” Weil Agilität jedoch auch feste Teams und Nähe braucht, ist eine so simple Antwort in diesem Fall nicht zielführend. Gemeinsam besprachen die Teilnehmer des Roundtable Möglichkeiten, New Work besser umzusetzen.
Der allgemeine Tenor war, dass zwar äußere Rahmen langsam gelockert werden müssen, jedoch auch zukünftig gewisse Eckpunkte notwendig sind. Zudem sehen die Teilnehmer das Mindset der Mitarbeiter als entscheidend an, die zur Wahl stehenden Tools hingegen sind sekundär – auch die Technologie sei nicht der entscheidende Treiber.
Die Vision von NewWork vollständig umzusetzen ist also laut der Teilnehmer keine Alternative. Jedoch ist der Konsens, dass sich aktuell mit neuen Bürokonzepten und Homeoffice der Ort, also das “wo du willst”, zunehmend auflöst. Gleichzeitig stellen die Teilnehmer fest, wird das “wann du willst” hierdurch beeinflusst. Somit wird sich also auch zunehmend die Struktur ändern müssen. Jedoch besteht weiterhin das Spannungsfeld zwischen Team-Nähe und Ortsunabhängigkeit, welches im nächsten Roundtable näher besprochen wird.
Activity based Working und neue Bürokonzepte
Um beim Thema “neue Bürokonzepte” konkreter zu werden, besprachen die Teilnehmer ein Konzept, das bereits im Pilot ausprobiert wurde. Bei diesem Projekt waren insgesamt 120 Mitarbeiter involviert. Jede(r) Einzelne durfte komplett eigenständig und freiwillig arbeiten. Interessant war, dass dieses neue Konzept trotz der Freiwilligkeit mit mehr Freiraum zuerst auf Ablehnung bzw. Widerstand stieß. Als Problem benannten die Teilnehmer des Roundtable zudem, dass zwar die Dienstleister agil sind, die Kunden jedoch nicht. Eine Tatsache, die es erschwert, neue Arbeitskonzepte in der Praxis umzusetzen.
Weil sich agile Teams vor allem durch das Teamwork auszeichnen, ist Agilität nicht mit den einfach Antworten der New Work vereinbar. Nur indem sich die Mitarbeiter vor Ort sehen und eine reale Nähe zueinander haben, kann Agilität nachhaltig umgesetzt werden.
Die Optimal-Lösung, die im Dialog anklang, war, etwa zwei Tage pro Woche fest im Unternehmen und damit vor Ort, einen Tag mobil zu sein und die anderen beiden Wochentage flexibel zu bleiben, um entweder vor Ort, mobil oder von zu Hause aus zu arbeiten. Auf die Frage, ob Scrum oder Remote Work zu einer unkontrollierbaren Überbelastung der Mitarbeiter führen, wurden keine abschließenden Antworten gefunden. Abgerundet wurde der Roundtable am Ende mit einer Führung durch das moderne “Activity based working concept” des Unternehmens, in welchem der Roundtable stattgefunden hat. So konnte der Dialog hautnah erlebt werden.
Die beiden Teilnehmer der Konzerne nutzen beide dieses Konzept und haben entsprechend dazu hochmoderne Gebäude entworfen. Sie bemerkten, dass sich sogenannte “Teamecken” bilden und jeder Mitarbeiter generell einen präferierten Platz in seinem aktuellen Team sucht. Seitens des Managements ist zudem nicht gewünscht, dass die Teams jederzeit geändert werden. Um jedoch auf lange Sicht eine gesunde und dauerhafte Neuorientierung zu gewährleisten, hat der Teilnehmer des IT-Konzerns das Konzept des “Jump-Day” vorgestellt. Ein Beispiel, in dem das Vorgehen erprobt wurde, alle Mitarbeiter aufzufordern, den Arbeitsplatz sowie das Team jährlich zu wechseln. Ein Teilnehmer sinngemäß:
“Am ersten Jump-Day dachte ich, das wird nun Wochen dauern bis sich die Teams herausbilden. Aber schon kurz nach dem Mittagessen war es so, als hätte es nie ein anderes Konzept gegeben” .
Digital Leadership – was ist gute Führung?
Im ersten Schritt wurde mit den Teilnehmern über die Vorstellungen von guter Führung gesprochen. Im Konsens wurden 4 Dimensionen festgelegt, welche an das Modell von Buhse (2014) erinnern. Gute Führung fördert also folgende Dimensionen:
- Offenheit
- Partizipation
- Agilität
- Vernetzung
Digital Leadership im hybriden Spannungsfeld
Weiterführend haben sich die Teilnehmer des Roundtable darüber ausgetauscht, wie gute Führung in der modernen Arbeitswelt konkret aussehen kann.
Konsens herrschte bei der Tatsache, dass die Führungskraft beim Team sein muss und Führung nicht abgegrenzt funktionieren kann. Kontrolle und Autonomie müssen gemeinsam angewendet werden. Die Herausforderung an die Führungskraft ist, diesen Spagat mit Fingerspitzengefühl zu meistern.
Man könnte also sagen, dass Mitarbeiter zu Mitunternehmern werden und das Management ein aktiver Teil des Teams, der nicht innerhalb einer starren Struktur führt, sondern flexible anleitet, Freiräume lässt und lediglich die groben Spielregeln und Rahmenbedingungen diktiert. Durch gezielte Anreize und Challenges muss zudem die Motivation im Team erhöht werden. Dabei war den Teilnehmern jedoch wichtig, dass Agilität nicht als Druckmittel genutzt wird, sondern das Mindset und die Werte im Vordergrund steht.
Einerseits wollen die Führungskräfte Mitarbeitern mehr Freiraum geben und andererseits ist ein Mindestmaß an Kontrolle nötig, um Anarchie zu vermeiden!
Insgesamt stimmen die Teilnehmer überein, dass eine Führungskraft hier eine gesunde Balance finden muss. Wichtig ist vor allem, dass eine Führungskraft nahe beim Team ist, so die Teilnehmer.
Die digitale Führung im Spannungsfeld der Generationen – die Schlussfolgerungen der Teilnehmer:
Mitarbeiter aus der Generation X
Mitarbeiter dieser Generation zeichnen sich durch eine grundlegende Skepsis gegenüber neuen Arbeitsmodellen aus. Diese ist besonders zu Anfang recht ausgeprägt. Im Laufe der Zeit adaptieren sie die Modelle jedoch und ziehen bereitwillig mit.
Führung (Anleitung) bedarf an dieser Stelle eines von Verständnis geprägten Umgangs mit den anfänglichen Zweifeln dieser Mitarbeiter.
Mitarbeiter aus Generation Y
Die Generation Y stellt sich bereitwillig neuen Modellen, wie beispielsweise der Arbeit aus dem Home-Office heraus oder der Arbeit in Open Spaces. Doch oft befanden sich Mitarbeiter dieser Generation bereits in alten Strukturen, die ähnlich wie bei der Generation X, zu anfänglichen Zweifeln an Neuem führen können.
Diese Generation braucht ein hohes Maß an Struktur, in denen sie sich frei entfalten kann. Bestehen keine ausreichenden Rahmenbedingungen, kann die Motivation darunter leiden.
Mitarbeiter der Generation Z
Mitarbeiter der Generation Z zeichnen sich durch eine starke digitale Prägung aus. Das hohe Aktivitätsniveau, der versierte Umgang mit Digitalität sowie die “Jungfräulichkeit” in Sachen Arbeitsmodelle macht diese Generation zu interessierten, sehr schnell lernenden Mitarbeitern im Kontext neuer Arbeitsmodelle.
Aktuell ist diese Generation jedoch erst dabei den Arbeitsmarkt zu betreten. Daher können noch keine genauen Aussagen zu praktischen Erfahrungen mit dieser Generation getroffen werden. Es bleibt also abzuwarten, wie sich diese Generation mit den neuen Arbeitsmodellen arrangiert.
Die Teilnehmer stellten im Konsens fest:
Egal um welche Generation es sich handelt – Menschen wollen Veränderung, nur nicht selbst verändert werden.
Fazit: Neue Arbeitskonzepte umsetzen – genau jetzt!
Der Bedarf an neuartigen Konzepten und Modellen, mit denen Unternehmen den Herausforderungen von Arbeit 4.0 begegnen, ist schon länger gegeben. Doch erst heute sind die Rahmenbedingungen geschaffen, diese Änderungen auch tatsächlich umzusetzen. Laptops, Tablets, Smartphones und Co sind so billig wie nie. Hinzu kommt, dass die Generation Y, vor allem jedoch die nach 1995 (Generation Z) geborenen Mitarbeiter der Zukunft so vertraut mit Digitalität und den dadurch entstehenden Freiräumen sind, dass freiere, agile Arbeitsmodelle auch praktisch umsetzbar sind, ohne dass große Überzeugungsarbeit geleistet werden muss oder Unmengen an Schulungen notwendig sind.
Ausblick auf den 4. Roundtable
Haben wir uns in diesem dritten Roundtable mit dem Einfluss der Digitalisierung auf die Führung und Arbeit in Unternehmen auseinandergesetzt, sollen im vierten Zusammentreffen die Auswirkungen digitaler Methoden wie Remote-Arbeit, Clickworking, Crowdworker auf Führung und Arbeit besprochen, sowie das hybride Spannungsfeld zwischen analogen und digitalen Modellen untersucht werden.
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Verwendete Quellen anzeigen
Buhse, W. (2014). Management by Internet: Neue Führungsmodelle für Unternehmen in Zeiten der digitalen Transformation. Kulmbach: Börsenmedien.
Detecon: http://www.detecon.com/sites/default/files/1_DMR_blue_Transformation_Neue_Arbeitswelten_D_02_2015_0.pdf
Lindner, D. & Greff, T. (2017). Hybrid Digital Leadership in KMU – Agilität praxis- und generationenorientiert umsetzen.
Petry, T. (2016). Digital Leadership: Erfolgreiches Führen in Zeiten der Digital Economy. München: Haufe Verlag.