„Toller Job, den Sie da machen mit Ihrem Team!“, werden Sie vom Management gelobt.
Sie: „Schön, zu hören! Danke!“
Management: „Weil Sie so einen Superlauf haben, kriegen sie noch’n paar mehr Leute für Ihr Team.“
Sie: ?
An dieser Stelle gibt es drei plausible prototypische Antworten.
- „Hurra, her mit den zusätzlichen Ressourcen! Mehr Fachpersonal kann man immer gut gebrauchen.“
- „Danke für die Blumen! Aber bitte keine weiteren Leute – gerade, weil es derzeit so gut läuft.“
- „Äh … Hmm … Danke auch für das Angebot! Werde ich im Team besprechen.“
Zwischenfrage: Welche der drei Antworten würden Sie wählen?
Hurra, mehr Leute! Oder eher: Bloß nicht! Und was das mit einem Dinner zutun hat
Szenenwechsel: Sie und Ihr/e Partner/in haben zum Dinner eingeladen. 4 Gänge, kompliziert, aber nicht komplex, denn es kommt nur ein Gast. Sagen wir, Thunfisch-Carpaccio mit gebratener Jakobsmuschel und Orangen als Vorspeise, dazu einen Sauvignon Blanc. Dann ein Fischgang – Seeteufel auf Kerbel-Risotto. Dazu ein leichter Chardonnay. Dann Wachtelbrüstchen auf warmem Rotkohl mit Preiselbeervinaigrette. Dazu ein eleganter Pinot Noir. Gefolgt von einem Walnussparfait in Karamell-Soße als Dessert. Dazu ein Sauternes mit einer zarten Süße.
Sorry, wenn Sie als Leser/in jetzt Hunger kriegen. So geht es auch Ihrer/m Partner/in. Sie beide kommen mit zunehmend flauem Magen ganz schön ins Rödeln bei der Vorbereitung und Taktung des Menüs.
Immer wieder sitzt Ihr Gast allein da und schaut gedankenverloren und – bei allem Genuss – einsam auf sein Handy.
Ganz klar: Sie brauchen mehr Leute, damit das Dinner einigermaßen rund läuft. Mindestens einen weiteren Gast, damit die zwei sich unterhalten können, wenn Sie und Ihr/e Partner/in als Gastgeber zeitgleich in der Küche gefragt sind. Allerdings bedeutet dies meistens die Aufsplitterung in zwei Paare.
Kleingruppen bilden sich. Es brennt was an
Gleiches Menü, aber drei Gäste anstatt einem oder zweien. Besser. Vier Gäste – auch gut. Bei fünf könnte es an der Tafel eng werden und auch in der Küche, weil die logistische Herausforderung bereits deutlich größer ist. Doch die fünf Gäste unterhalten sich bestens, loben das Essen, reißen Witze, lachen. Kleingruppen bilden sich am Tisch und lösen sich wieder auf. Alle reden durcheinander. Aber das macht nichts, weil es schön ist. Zwar brennen die Wachtelbrüstchen in der Küche gerade an. Sie kommen gehörig ins Schwitzen. Unheil kann gerade noch abgewendet werden. Ein toller Abend. Um kurz nach zwei Uhr nachts wanken Freunde, die sich an diesem Abend als Paar gefunden haben, mit Preiselbeeren im Bauch und hochprozentigen Gefühlen im Herzen aus dem Haus. Ein Glück, dass Sie einen großen Geschirrspülautomaten haben.
Sechs Gäste: Wenn Sie und Partner/in in der Küche werkeln, führen Ihre Gäste angeregte Gespräche, aber es bilden sich schnell zwei Lager. Gerede über Politik droht den Abend zu vergiften. Ein Glück, dass der Seeteufel so gut gelingt und der Wein passt. Doch im weiteren Verlauf des Abends tun sich Gräben zwischen den Gästen auf. Zwei von ihnen wandern mit ihren Tellern und Gläsern auf die Couch. Dank Ihrer guten Moderation finden sich die Gäste jedoch immer wieder zu einem (fast) gemeinsamen Austausch zusammen. Insgesamt ein gelungener Abend.
Sieben Gäste: Ein Glück, dass der Esstisch weit ausziehbar ist. Sonst ähnlich wie mit sechs Gästen. Nur noch anstrengender für Sie als Gastgeber/innen
Acht Gäste: Deutlich herausfordernder als sieben. Abgesehen von sprunghaft gestiegener Komplexität in der Küche, die eigentlich ein professionelles Team von Köchen erfordert, gibt es keine Gespräche mehr mit der gesamten Gruppe. Ständig bilden sich Kleingrüppchen, sondern sich Einzelpersonen ab. Das wäre okay, wenn das Dinner eine Stehparty wäre.
Zehn Personen – also acht Gäste und 2 Gastgeber/innen – sorgen für eine Art Kipp-Punkt durch Komplexität.
Ein Kipp-Punkt durch Komplexität
Wahrscheinlich fragen Sie jetzt: „Was ist mit all den Familienfesten? 20, wenn nicht 30 Personen? Hochzeiten mit um die hundert Gästen?
Antwort: Auch wenn es ein Ereignis war und als solches schön – mit wie vielen Personen war dabei ein intensiver Austausch möglich? Wie sinnvoll war ein solches Fest im Sinne einer Interaktion von möglichst allen Anwesenden? Wie harmonisch verlief es insgesamt?
Was unterscheidet eine Abendgesellschaft beim gemeinsamen Dinner von der Arbeit im Team?
Lassen wir die lustigen Antworten rund ums Essen und die Getränke mal weg. Die Abendgesellschaft ist prinzipiell der Versuch einer sinnvollen gemeinsamen Erfahrung. Das Team dient der Umsetzung eines gemeinsamen sinnvollen Vorhabens.
Und: Je größer ein Team wird, umso komplexer wird die Steuerung und organisatorische Verwaltung des Teams. Die Abendgesellschaft beim Dinner ist ein passendes Bild dafür. Im Verlauf dieses Artikels wird dieses Bild weiter ausgeführt werden. Doch zunächst eine Grafik:
Mehr zur Entwicklung von Teams und dem Mehrwert durch agile Arbeitsmethoden in Teams hier: https://www.veraenderungskraft.de/was-ist-ein-agiles-team/
Was ist eigentlich Agiles Arbeiten? Mehr dazu hier: https://www.veraenderungskraft.de/was-ist-agiles-arbeiten/
Jetzt alle an den runden Tisch
Fangen wir von hinten an: 14 Personen an einem runden Tisch. Da sind 91 mögliche Kommunikationslinien. Wahrscheinlich reden nicht alle durcheinander, doch agieren alle mindestens nonverbal gleichzeitig. Das Ergebnis: ein hochkomplexes Durcheinander. Etwas zu laut ausgedrückt: eine menschliche Kakophonie. Ist dabei sinnvolle Interaktion möglich? Wohl kaum.
13 Personen: 78 mögliche Kommunikationspfade. Eine Team-Größe, die in nicht wenigen Unternehmen verbreitet ist. Die Interaktion ist komplex bis hochkomplex. Kein Wunder, wenn sie meistens nicht klappt.
12 Personen: 66 mögliche Verbindungen. Immer noch überwiegend hochkomplex.
11 Personen: 55 Linien. Zunehmend (nur) komplex. Zurück zum Bild – wie verhalten sich 11 Personen an einem Tisch? Wie schnell bilden sich Subgruppen? Wie sinnvoll sind ihre Interaktionen im Sinne von Teamarbeit? Die Antwort hängt vom Aufgabenfeld ab. Einfache und komplizierte Aufgaben sind in der Team-Größe wahrscheinlich noch gut zu bewältigen.
10 Personen: 45 Kommunikationslinien. Komplex, aber machbar – das zeigen diverse Untersuchungen zur Teamarbeit in Abhängigkeit zu deren Größe.
Weder zu Viele noch zu Wenige
9 Personen: 36 Linien – eine ideale Größe. Nicht zuletzt für komplexe Aufgabenstellungen, die ein breites Spektrum von Skills erfordern. Die Notwendigkeit für interdisziplinäre Fertigkeiten und Kenntnisse wächst mit der Komplexität von Herausforderungen. Cross-Funktionalität muss gegeben sein. Wenn 9 Personen dafür gebraucht werden, dann ist diese Größe geeignet.
Jetzt das Ganze vom anderen Ende: 2 Personen sind ein Paar, kein Team. Deswegen ist von ihnen hier nicht die Rede. 3 Personen – die Minimalgröße. Da in Teams Schnittstellen zu anderen Teams, Verantwortliche für Team-Prozesse wie für die Interaktion mit Auftraggebern vorhanden sein müssen, neben sog. Entwickler/innen (Personen, die sich rein auf die Produktentwicklung und -erstellung) kümmern, muss ein solches Team mindestens aus drei Personen bestehen, damit es grundsätzlich als Team funktionieren kann. Tut es das? Eher nicht, weil die geringe Größe Doppelrollen erforderlich macht. Außerdem ist von einem Mangel an interdisziplinären Fertigkeiten für die Bewältigung komplexer Aufgaben auszugehen.
4 Personen: 6 Kommunikationslinien. Überschaubar. Funktioniert meistens sehr gut. Ebenso 5 bis 8 (und eben auch 9) Personen – der Bereich einer optimalen Größe, der je nach Komplexitätsgrad der Aufgabenstellungen im Team ausgefüllt wird.
Zurück auf Anfang und die Frage nach mehr Leuten
Damit ein Team als Team funktioniert, muss Cross-Funktionalität (interdisziplinäre Fähigkeiten) ausreichend gegeben sein. Ob dies der Fall ist, weiß das Team am besten selbst. Deshalb ist es immer notwendig, ein Team in den Prozess seiner möglichen Vergrößerung miteinzubeziehen. Kurz: Team-Lead muss das Team dazu mindestens konsultieren.
Daher ist nur obige Antwort 3 richtig: Danke! Auch für das Angebot. Werde ich im Team besprechen.“
Zu guter Letzt
Wenn ein Team wächst, wachsen immer auch Kommunikationsprobleme, sind umso mehr Interessen und unterschiedliche Motivationen zu berücksichtigen. Mehr Leute in einem Team bedeutet keinesfalls (und schon gar nicht zwangsläufig) eine effektivere und effizientere Bearbeitung von Aufgaben. Je größer ein Team ist, umso komplexer deren Steuerung (auch organisatorische Verwaltung).
Ein Manager wird (meistens) nicht gefeuert, wenn er einem verspäteten Projekt (und damit einem Team oder Teams) Personal hinzufügt. Er erweckt damit den Anschein, dass er ja „etwas tut“. Wenn das Projekt scheitert, wird der Manager wahrscheinlich behaupten, er habe „alles getan“, um es zu retten, und zwar bis hin zur Umschichtung von Mitteln und Mitarbeitern aus anderen Initiativen, sogar in den Kommunikationslinien.
Effektive Kommunikation ist der Schlüssel zum Gelingen eines jeden Projekts. Teams, die ineffektiv kommunizieren und damit ineffizient kollaborieren werden bei komplexen Aufgabenstellungen kollabieren. Sie können ein Projekt somit nicht schnell genug (oder vielleicht auch gar nicht) erfolgreich abschließen. Das frustriert und hemmt das Team als Ganzes. Obige Grafik bildet einen logarithmischen Zuwachs in den Kommunikationslinien ab. Mit einer zweistelligen Größe von Mitarbeiter/innen in einem Team nimmt die Gefahr möglicher Dysfunktionalität allein aufgrund der Team-Grüße sprunghaft zu.
Wie bei einem Dinner. Es ist ein gravierender qualitativer Unterschied, ob sich 7 oder 12 Personen dazu einfinden. Ob 12 Personen, das Dinner sprengen oder nicht, hängt von den Personen ab und weiteren, äußeren Gegebenheiten, die darüber entscheiden, wie komplex diese gemeinsame Unternehmung insgesamt wird.
Ich wünsche Ihnen einen gesunden Appetit bei der weiteren Betrachtung dieser Frage!
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