Ich bin Teil der Generation Y – und als agile Methoden in meinen Berufsalltag Einzug hielten, war ich sofort begeistert. Für unsere Generation waren sie wie gemacht: flache Hierarchien, Verantwortung, Sinnhaftigkeit, ständige Weiterentwicklung. Wir arbeiteten gefühlt rund um die Uhr, brannten für Projekte, lebten Teamarbeit und suchten unsere Erfüllung oft auch im Job.
Doch mittlerweile beobachte ich, dass dieses agile Mindset nicht mehr so selbstverständlich ist. Gerade bei der Generation Z, die heute in die Unternehmen kommt, stößt Agilität oft auf Zurückhaltung – oder gar Ablehnung. 9-to-5 statt Always-on, Aufgaben erledigen statt mitgestalten, klare Grenzen statt Selbstverwirklichung im Team. Das wirft die Frage auf:
Passen agile Methoden überhaupt noch zur Generation Z?
Wertewandel: Was die Generation Z wirklich will
Die Generation Z – grob geboren zwischen 1995 und 2010 – tickt anders als ihre Vorgänger. Geprägt von Krisen, Klimawandel, Digitalisierung und permanenter Reizüberflutung, strebt sie nach Sicherheit, Klarheit und Stabilität. Während frühere Generationen in agilen Teams Erfüllung und Gestaltungsfreiheit suchten, wünschen sich viele der Gen Z:
- Klare Arbeitszeiten (9–5) statt ständiger Erreichbarkeit
- Strikte Trennung von Beruf und Privatleben
- Führung und Orientierung statt permanenter Selbstorganisation
- Effizienz und Sinnhaftigkeit statt Meeting-Marathons
- Digitale Tools, ja – aber bitte funktional und nicht verspielt
Was Agilität ursprünglich bedeutete
Agile Methoden wie Scrum, Kanban oder SAFe wurden einst eingeführt, um starren Prozessen die Flexibilität des Digitalzeitalters entgegenzusetzen. Im Zentrum: Interdisziplinäre Teams, iteratives Arbeiten, ständiges Feedback, flache Hierarchien und Selbstverantwortung. Das Ziel: schnellere Ergebnisse und motiviertere Mitarbeitende.
Doch dieser „Startup-Spirit“ bringt auch Schattenseiten mit sich – Unklarheiten in Zuständigkeiten, Druck durch ständige Veränderung und hohe Anforderungen an Eigenverantwortung.
Wo es knirscht: Konflikte zwischen Agilität und Gen Z
Die Realität zeigt: Zwischen Agilität und Gen Z entstehen oft Reibungspunkte, zum Beispiel:
- Selbstorganisation wird nicht immer als befreiend, sondern als belastend empfunden
- Dailys und Retrospektiven wirken für manche wie unnötige Zeitfresser
- Veränderung als Dauerzustand trifft auf das Bedürfnis nach Struktur und Planbarkeit
- Transparente Kommunikation stößt auf das Bedürfnis nach Abgrenzung und Rückzug
- Teamübergreifende Verantwortung steht im Widerspruch zur Wunschvorstellung klar definierter Rollen
Was sich ändern muss: Agilität neu denken
Agile Methoden sind nicht per se überholt – aber sie brauchen ein Update, um zur Gen Z zu passen. Dazu gehört:
- Feste Zeiten für Meetings und Ruhephasen, um Fokuszeiten zu respektieren
- Klare Rollenverteilungen und gezielte Führung statt völliger Selbststeuerung
- Verschlankung der Tool-Landschaft, weniger JIRA-Boards, mehr Ergebnisorientierung
- Feedbackzyklen, die motivieren statt stressen – z. B. monatlich statt täglich
- Transparenz und Partizipation, aber mit klaren Leitplanken
Fazit: Noch agil – aber anders
Agile Methoden müssen sich weiterentwickeln, wenn sie mit der Generation Z kompatibel bleiben sollen. Nicht weniger agil – sondern klarer, strukturierter und achtsamer. Wenn Unternehmen es schaffen, agile Prinzipien mit den Bedürfnissen nach Planbarkeit und Work-Life-Separation zu verbinden, kann die Gen Z sogar zum Motor einer neuen, reflektierteren Agilität werden.
Denn: Agilität war nie ein Dogma, sondern ein Versprechen – und dieses muss heute neu eingelöst werden.