Ein Bewerbungsgespräch ist aus Unternehmens- und Bewerbersicht kein leichtes Unterfangen. Als Arbeitgeber:in will man die perfekte Arbeitskraft finden, als Bewerber:in will man sich möglichst gut verkaufen. Aufgrund der Situation und der Tatsache, dass es sich bei dem Gespräch um das erste Aufeinandertreffen handelt, können schnell Vorurteile entstehen. Man ertappt sich dabei, wie man jedes Wort „auf die Goldwaage legt“ und bildet sich viel schneller eine Meinung über eine Person, wie man dies für gewöhnlich im normalen Alltag tun würde.
Es gibt viele Situationen im Arbeitsumfeld – wie beispielsweise den Einstellungsprozess, das Feedback-Gespräch oder tagtägliche Meetings – in denen man zu schnell dazu tendiert, sich eine Meinung über jemanden zu bilden und „in Schubladen zu denken“. Dies kann sich auf verschiedenen Wege negativ auswirken. Der sogenannte Pygmalion-Effekt beschreibt beispielsweise, wie Mitarbeiter:innen sich langsam zu dem entwickeln, was man über sie denkt. Man sollte aus diesem Grund versuchen, schon bei der Einstellung unvoreingenommen zu sein und nicht voreilig zu urteilen. Arbeitet man mit einer Personalberatung digital zusammen, ist dies häufig leichter, da sie im kompletten Prozess beratend zur Seite steht und damit Aspekte dieser Art besprochen werden.. Doch wie erkennt man in beiden Fällen, wenn man sich zu schnell eine Meinung über eine Person bildet? Und wie kann man das Verhalten, das daraus entsteht, beseitigen? Wir erklären, wie man die Voreingenommenheit in Zukunft zur Neutralität und Aufgeschlossenheit umwandeln kann.
Wie erkennt man Voreingenommenheit?
Das Phänomen der Voreingenommenheit wird auch als sogenannte „Unconscious Bias“ bezeichnet. Man will damit aussagen, dass man sich unterbewusst eine Meinung zu einer Person bildet, ohne diese wirklich zu kennen. Die Voreingenommenheit kann sich in unterschiedlichen Ausprägungen zeigen. In einigen Fällen bleibt die Meinung nur kurz bestehen und verändert sich, sobald man über eine gewisse Zeit mit der Person interagiert. In anderen Situationen wird aus der Voreingenommenheit eine Konstante, die sich auch nicht mehr so schnell ändern lässt.
Man erkennt die Voreingenommenheit im Einstellungsprozess, wenn man sich mit konkreten Beispielen dazu beschäftigt. So kann es beispielsweise vorkommen, dass sich der digitale Recruiter vom Halo-Effekt beeinflussen lässt. Das bedeutet, dass man eine Person, die sich auf die Stelle bewirbt und zuvor bei einem besonders angesehenen Unternehmen beschäftigt war, automatisch besser einstuft. Andere Beispiele beziehen sich auf die Geschlechterrollen, gemeinsame Interessen (Affinity Bias), den Namen, das Alter oder den direkten Vergleich mit anderen (Contrast Effect), um nur einige zu nennen.
Mehr Struktur, weniger Voreingenommenheit
Wenn man nun also erkannt hat, dass man sich im Einstellungsprozess nicht ganz unvoreingenommen verhält, gibt es einen einfachen Trick, wie man das Verhalten vermeiden kann. Dieser lautet: Struktur. Man wendet ihn nicht erst an, wenn man mit Kandidat:innen ein Bewerbungsgespräch führt, sondern schon zuvor. Indem man eine Stellenausschreibung klar und deutlich formuliert und man sich bereits in diesem Fall darauf konzentriert, jeder Person eine faire Chance auf die Stelle zu geben, schafft man die Grundlage für das, was danach folgt – und zwar ein klar strukturiertes Gespräch. Man überlegt sich dazu vor der Begegnung, welche Fragen man stellen will und prüft diese, indem man sich mögliche Beispiele für die Unconscious Bias vor Augen hält. Während des Gesprächs die einzelnen Schritte zu dokumentieren, dient ebenfalls als Hilfestellung dafür, strukturiert vorzugehen. Durch die Mitschrift kann man die Ergebnisse im Anschluss noch einmal auf sich wirken lassen und versuchen, sie so neutral wie möglich zu beurteilen.
Anonyme Tests
Sobald man als digitaler Recruiter den Lebenslauf einer Person sieht, bildet man sich häufig auch bereits eine Meinung zu ihr. Anstelle sich also einzig und allein auf den Werdegang zu konzentrieren, hat man im Bewerbungsprozess die Möglichkeit, die Kandidat:innen auf einem anderen Weg zu beurteilen – und zwar anhand von anonymen Tests. Es kann sich dabei beispielsweise um kurze Assessments oder Case Studies handeln. Man bewertet die Tests zunächst und löst erst danach auf, welcher Test zu welcher teilnehmenden Person gehört.