In den Niederlanden gehört es schon längst zum Alltag: Einen Arzt kann man sich dort ganz bequem für Beratung und Impfung nach Hause einladen. Besonders vor Reisen ist das sehr praktisch. Dieser innovative Service ist nun auch in Deutschland angekommen:
Die Gründer des deutsch-niederländischen Star-ups „Ihr Arzt Zuhause“ (IAZH) Casper van het Hof und Dr. Markus Frühwein stellen sich vor.
Impfung, das ist ja ein sehr aktuelles Thema. Wie schätzen Sie die Impfbereitschaft der Deutschen insgesamt ein? Stößt Ihr Angebot auf Interesse?
Dr. Markus Frühwein: Ich bin Impfspezialist und Hausarzt und habe in das Thema einen sehr umfassenden Einblick. Dadurch kann ich sagen: Ja, wir leben in einer Gesellschaft mit einer sehr guten medizinischen Versorgung. Weite Teile der Bevölkerung sind für das Thema unheimlich sensibilisiert. Wir profitieren im weltweiten Vergleich von einem sehr verlässlichen Gesundheitssystem. Viele Krankheiten, die im Ausland noch häufig sind, konnten hier dank guter Hygienestandards und hoher Impfquoten stark zurückgedrängt werden.
Dabei darf man aber nicht vergessen: Eine gute Herdenimmunität kommt nicht von allein. Impfungen werde zwar im Kindesalter fast flächendeckend angenommen, sie müssen aber im Erwachsenenalter vielfach aufgefrischt werden. Und da besteht durchaus noch Verbesserungsbedarf.
Gerade für Fernreisende werden Impflücken zum Problem: In Deutschland mag das dank Herdenschutz und guter Hygiene gerade noch gut gehen, wenn ein Erwachsener nicht mehr ausreichend gegen Masern oder Diphtherie geschützt ist. Auf Reisen kann das aber verheerend enden. Hier setzen wir mit impfungzuhause.de und reiseimpfungzuhause.de an. Eine Reise ist der ideale Zeitpunkt, seinen Impfstatus zu überprüfen. Das ist auch gut für das Alltagsleben zu Hause.
Einen Arzt für eine Impfung nach Hause zu bestellen, das klingt nach einer bequemen Sache. Inwiefern profitiert auch die Allgemeinheit von dem Service?
Dr. Markus Frühwein: Wir sind uns sicher, dass wir mit dem Service Menschen erreichen, die sich sonst nicht impfen lassen würden. Der Vorteil, sich zu Hause auf dem Sofa impfen lassen zu können liegt ja auf der Hand: Die Hemmschwellen sind viel geringer! Gerade Kinder oder ältere Menschen lassen sich oft lieber daheim in ihrer vertrauten Umgebung impfen, das nimmt viel Stress aus der Impfsituation.
Zeitmangel ist aus meiner Erfahrung auch ein häufiger Grund, warum Impflücken entstehen.
Familien und Arbeitnehmern bringt das Angebot eine besondere Zeitersparnis. Denn wir schicken auch am Wochenende oder am Feierabend einen Facharzt vorbei und impfen nach Bedarf auch alle Familienmitglieder von der Oma bis zum Säugling gemeinsam.
Wenn wir auf diese Weise zu einem anhaltenden Herdenschutz vor allen wichtigen Krankheiten beitragen können, profitieren alle: Besonders die Schwächsten, die nicht selbst durch Impfungen geschützt werden können.
Patienten schätzen heute eine Kommunikation auf Augenhöhe und gute, verlässliche Information. Wie gehen Sie auf diese Nachfrage ein?
Dr. Markus Frühwein: Das stimmt! Unsere Patienten sind es gewohnt, sich heute über viele Themen selbst online zu informieren. Darin sehen wir eine große Chance. Wir bauen auf unseren Plattformen impfungzuhause.de und auch schon bald reiseimpfungzuhause.de eine umfassende Informations-Datenbank auf. Dabei achten wir nicht nur auf wissenschaftlich verlässliche Darstellung aller Krankheiten und Impfungen nach den Empfehlungen von STIKO und Robert-Koch-Institut. Wir investieren auch in eine moderne, ansprechende und verständliche Darstellung aller Themen. Das ist heute wichtiger denn je, denn die Verunsicherungen in Bezug auf unsere Gesundheit nehmen zu.
Welche Impfungen sind für mich als Reisender über 60 wichtig? Wie sollte ich mich bei einem Kinderwunsch schützen? Brauche ich wirklich eine Impfung gegen Tollwut oder Typhus, wenn ich nach Indien reise?
Antworten auf allgemeine Gesundheitsfragen wollen wir aber auch geben, denn nicht gegen alle Krankheiten kann man sich durch eine Impfung schützen. Richtiges Verhalten zum Schutz vor Mücken in den Tropen oder Zecken in Europa ist beispielsweise ein wichtiges Thema.
Information ist die eine Sache, aber wie gelingt es, dass sich Interessenten dann auch wirklich zu einer Impfung entschließen?
Casper van het Hof: Hier kommt nun die Digitalisierung ins Spiel. Denn bei uns ist der Impfschutz nur noch einen Klick weit entfernt. Man sieht an diesem Beispiel gut, dass Digitalisierung mehr Raum für Zwischenmenschliches ermöglicht. Denn alles, was sich vorab erledigen lässt, zum Beispiel die ganze Datenerfassung, macht bei uns die Buchungssoftware im Vorfeld.
Während des Arztbesuchs zu Hause ist dann ausreichend Zeit für eine persönliche Beratung und den menschlichen Kontakt vorhanden.
Sie haben noch große Pläne für Ihr Start-up. Inwiefern spielt betriebliche Gesundheitsvorsorge eine Rolle?
Casper van het Hof: Im Moment steht unser Angebot Selbstzahlern und Privatpatienten im Raum München und Nürnberg zur Verfügung. Die Resonanz ist sehr gut. Darum planen wir innerhalb eines Jahres mit knapp 60 Ärzten aktiv zu werden, zunächst vor allem in Süddeutschland und in den Ballungszentren. Spätestens in drei Jahren soll unser mobiler Impfservice in ganz Deutschland flächendeckend bereitstehen.
Bis dahin wollen wir weitere Kooperationspartner mit an Bord holen. Gerade das Thema Reiseimpfung ist für Krankenkassen sehr interessant. Reiseimpfungen sind nicht teuer und erreichen jüngere, gesunde Zielgruppen.
In Zukunft werden auch Unternehmen mobiles Impfen bei uns buchen können. Denn auch für Mittelständische Unternehmen ist unser Angebot interessant, weil sie sich oft keinen eigenen Betriebsarzt leisten können. Eine Influenza-Impfung direkt am Arbeitsplatz ist nicht nur gut für die Mitarbeiterbindung, sondern senkt bei einer Grippewelle auch die Fehlzeiten wirksam.
Metropol-Regionen profitieren meistens schon von einer guten medizinischen Versorgung. Kann Ihr Angebot auch ländliche Regionen in Europa unterstützen?
Casper van het Hof: Ich glaube wirklich daran, dass wir durch unseren Digitalisierungs-Ansatz auch medizinisch schlechter versorgte Regionen voranbringen. Denn es muss ja gar nicht bei Impfungen bleiben. Auch allgemeine medizinische Dienstleistungen, sogar Homöopathie und Chiropraktik, könnten über unsere Software laufen. Wir testen das gerade in den Niederlanden.
Ich vergleiche uns gerne mit anderen Digital-Dienstleistern. Wir wollen den Komfort des bewährten ärztlichen Hausbesuchs mit den Vorteilen der Digitalisierung verbinden. Da ist noch viel möglich, davon bin ich überzeugt. Nicht nur hier, sondern auch in Benelux, Großbritannien, Österreich, aber auch in der Schweiz und Skandinavien. Wenn es in Deutschland gelingt, dann schaffen wir es überall.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bildnachweise: Eigentum von Ihr Arzt Zuhause