Mit dem Jahreswechsel war es endlich soweit: Großbritannien ist endgültig kein Mitglied des EU-Binnenmarktes und der Zollunion mehr. Der Handelspakt, der nach jahrelangen Verhandlungen zwischen London und Brüssel geschlossen wurde, regelt nun die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Insel und dem restlichen europäischen Kontinent. Dennoch gibt es zahlreiche Veränderungen und wirtschaftliche Folgen für den internationalen Handel, die mit dem Brexit einhergehen. Besonders davon betroffen sind Unternehmen im Logistikbereich und im Handel. Bisher haben die neuen Regelungen in Bezug auf den Warenverkehr zu viel Verwirrung und Chaos an den Grenzen geführt. Was genau bedeutet also die Einschränkung des Binnenmarktes für Handelsunternehmen und wie können sie durch die Unsicherheiten der Anfangszeit zielstrebig navigieren?
Aktuelle Veränderungen
Vor dem Brexit profitierten internationale Handelsunternehmen stark von einem uneingeschränkten Binnenmarkt innerhalb der Europäischen Union. Was bedeutet es also, wenn der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital nicht mehr möglich ist? Zum einen führt der eingeschränkte Transportsektor wahrscheinlich zukünftig zu einer Abnahme der wirtschaftlichen Aktivität zwischen der EU und Großbritannien. Die Zusammenarbeit wird durch zusätzliche Zölle und Tarife erschwert – alle Waren, die aus Nicht-EU-Staaten eingeführt werden, müssen zunächst durch den Zoll abgefertigt werden. Insbesondere Plattformen, die Lagerlogistik und Fulfillment-Dienstleister verbinden, stellen sich darauf ein und treffen Maßnahmen. Der organisatorische Aufwand wird in Zukunft schlichtweg höher sein. Es werden neue IT-Anpassungen in der Logistikbranche nötig, da administrativer Mehraufwand entsteht. Neue Dokumentationspflichten beim In- und Export erfordern zusätzliche Planung.
Schwierigkeiten im Handel
Zunächst scheint es noch diverse offene Fragen im Hinblick auf die konkreten Regularien der Zusammenarbeit zu geben. Viele Firmen leiden vor allem in der Anfangszeit unter Wissensdefiziten. Dies ist gerade deshalb auch für deutsche Unternehmen dramatisch, da Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner von Großbritannien ist. Noch sind die genauen wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Markt, den Handel und die Logistik nicht vollkommen klar. Man kann jedoch davon ausgehen, dass es in der Zukunft einen drastischen Rückgang im Handelsvolumen geben wird, der kompensiert werden muss. Da britische Firmen durch den eingeschränkten Marktzugang vermutlich weiterhin Reichweite einbüßen, werden britische Firmen voraussichtlich weniger attraktiv für Investoren – vor allem für Start-Ups eine Katastrophe. Die größten Herausforderungen bestehen jedoch bei dem Thema Drittlandhandel. Drittländer sind aus der Sicht des Zolls Länder, die nicht zum Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft gehören. Damit gehen zusätzliche Zollförmlichkeiten und Regelungen einher. Viele Unternehmen sind unsicher über die konkret geforderten Zolldokumente, sodass einige britische Häfen inzwischen sogar einen Annahmestopp für Waren verhängt haben. Zudem waren britische Unternehmen oft schlecht auf den Brexit vorbereitet. So sei von einem vorab definierten Bedarf an 50.000 Zollagenten beispielsweise nur ein Viertel der Stellen besetzt worden. Außerdem entstehen viele Probleme beim Import aus Großbritannien nach Europa. Beispielsweise müssen deutsche LKW-Fahrer teilweise so lange auf die erledigen von Zollformalitäten warten, dass sie leer wieder zurückfahren, um die Parkgebühren zu sparen. Zudem kommt es zu zusätzlichen Kosten. Diese entstehen insbesondere in der Beratung, die notwendig ist, um sicherzustellen, dass Dokumente auch richtig ausgefüllt werden.
Darauf sollten Logistiker sich einstellen
Um Verwirrungen zu vermeiden, ist es in einer Zeit wie dieser besonders wichtig, dass sich Logistiker regelmäßig über Neuerungen informieren. Wie hoch die zusätzlichen Kosten ausfallen werden, hängt davon ab, wie schnell Logistikunternehmen adaptieren und wie flexibel sie neue Strategien und Visionen formulieren können. Die folgenden Veränderungen im Handel zwischen Großbritannien und dem restlichen Europa werden vermutlich mit dem Brexit einhergehen:
- Kataloge von Richtlinien zur Frachtüberführung
- Hoher bürokratischer Mehraufwand
- Verzögerungen und Komplikationen bei falsch ausgefüllten Papieren
- Finanzielle Belastungen durch steigende Personalkosten
- Wartezeiten an den Grenzen
- Weniger Aufträge für britische Kunden
Bei allen Schwierigkeiten ist es jedoch auch wichtig, die Chancen zu sehen. Es scheint, als gäbe es auch ein starkes Interesse daran, aktuelle Probleme zu klären, um den Warenverkehr wieder zu erleichtern. Wenn auch zusätzlicher Aufklärungsbedarf der Handelspartner besteht, so tun sich ebenfalls neue Wege auf. Ist die Kanalverbindung Calais-Dover beispielsweise erschwert, finden sich andere Routen über die Nordsee. In Schulungen und Seminaren werden mittlerweile kompetente Partner auf beiden Seiten ausgebildet, um Kommunikation zu ermöglichen und zu verbessern. Auch hinsichtlich der Beladung von LKWs kann zusätzlich ein Umdenken stattfinden, welches lange Wartezeiten vermeidet, indem ausschließlich eine bestimmte Art Ware verfrachtet wird. So ist zu erwarten, dass sich zukünftig neue Routinen für die zusätzliche Bürokratie etablieren und diese so bald zu einer neuen Normalität wird.
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