Als bekannt wurde, dass der Vorstandsvorsitzende des Investmentunternehmens Euroinvest Andrej Berezin Interesse am Kauf von PJSC Svetlana – einer Elektronik-Produktionsfirma – zeigt, waren viele überrascht. Euroinvest war ja zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich als ein Unternehmen für Immobilienentwicklung bekannt, das sich hauptsächlich mit Wohnhäusern in Murino und Kudrovo befasste.
Als die Überraschung vorbei war, waren sich die meisten Experten einig, dass der Kauf für Svetlana ein Missgeschick bedeutet. Der reiche Bauherr würde das Werksgelände als Baufläche nutzen und die Produktionsanlagen verkaufen. Die Gespräche über eine solches Zukunftsszenario verstummten endgültig erst dann, als Svetlana wie auch zwei weitere Fabriken unter neuer Leitung interessante und zukunftsträchtige Produkte auf den Markt brachten. Wir versuchen mal näher anzuschauen, wie es Berezin gelungen ist, eine effektive Nutzung seiner industriellen Kapazitäten zu gewährleisten, und warum die Führung von Euroinvest den Eintritt in den neuen Markt als sinnvoll betrachtet.
130 Jahre auf dem Weg
Aber zunächst ein kurzer Ausflug in die Geschichte. Im Jahr 1889 gründete ein Petersburger Unternehmer Yakov Ayvaz eine Produktion von Papierhülsen für Tabakwaren in der Zentralstraße Newski-Prospekt. In den nächsten zwei Jahrzehnten wuchs und veränderte sich das Unternehmen, und es entwickelte sich zu einem bedeutenden Produktionszentrum für Maschinen und Industriewaren. Im Jahr 1913 begann auf seiner Basis die Herstellung von Glühlampen nach einem deutschen Patent. Zum Beginn des Ersten Weltkrieges arbeiteten etwa 6.000 Menschen in der Fabrik.
Nach der Revolution wurde das Unternehmen verstaatlicht und bald darauf in zwei Teile aufgeteilt. Einer wurde zur Engels Maschinenfabrik, der andere – zur Svetlana, wo eben die Produktion von Elektrolampen fortgesetzt wurde. Später erfolgte der Zusammenschluss mit dem Leningrader Elektro-Vakuum-Werk und in den 1930er Jahren gehörte Svetlana bereits zu den wichtigsten wissenschaftlichen, technischen und industriellen Zentren der sowjetischen Elektronik.
Die Veränderungen der 90er Jahre brachten viele neue Sorgen. Wie auch bei vielen anderen Unternehmen im Land war die Lage der Fabrik nicht einfach, aber sie hielt sich über Wasser. In dieser Zeit wurden einige Tochtergesellschaften in wichtigsten Produktionsbereichen gegründet, es begann eine aktive Zusammenarbeit mit ausländischen, darunter auch deutschen, Partnern.
Ein Milliardengeschäft
Wie dem auch sei, im Jahr 2012 ging die Holding von Andrej Berezin das Risiko ein, eine Fabrik, die sich nicht in bestem Zustand befand, unter ihre Fittiche zu nehmen. Der genaue Geschäftsbetrag wurde nie bekannt gegeben, aber die Insider behaupteten, dass es sich um rund eine Milliarde Rubel handelte. Und dieser Preis war für den Käufer recht günstig, da der Nettogewinn der Fabrik im selben Jahr 469 Millionen Rubel betrug, wobei ein erheblicher Teil durch Lieferungen im Rahmen von internationalen Verträgen erzielt wurde.
Sechs Jahre später, im Jahr 2018, erläuterte Andrej Berezin ausführlich die Zwischenergebnisse von Svetlana unter der Schirmherrschaft seiner Holding. Seine Worte waren voller Optimismus:
„Jedes Jahr wächst das Produktionsvolumen. Die Ergebnisse des letzten Jahres werden noch abgerechnet, aber der Umsatz im Jahr 2016 ist beispielsweise um fast 200 Millionen auf 4 Milliarden Rubel gestiegen. Das Unternehmen hat drei Töchter. Die erste – Svetlana-Elektronpribor – ist ein Vorreiter in ihrem Bereich nicht nur in Russland, sondern auch weltweit. Die zweite Tochter – Svetlana-Röntgen – arbeitet aktiv am Export. Ein Drittel der Flughäfen weltweit ist mit Röntgenröhren aus diesem Werk ausgestattet. Wir haben also nicht vor, diese Fabrik zu schließen. Grundsätzlich funktionieren alle Unternehmen und werden die Herstellung an ihren Standorten fortführen. Der Umzug von High-Tech-Produktionsanlagen ist ein komplizierter Prozess. Dadurch sind Arbeitskräfte leicht zu verlieren“, betonte der CEO von Euroinvest und wies damit die restlichen Gerüchte zurück, das Werksgelände sei in eine Baufläche umzuwandeln.
Im Jahr 2020 erfolgte ein Ereignis, das deutlich machte: die Mannschaft von Svetlana hat nicht nur ihren Platz in der neuen Geschäftsarchitektur gefunden, sondern konnte auch die großen Produktionsgewinne vergangener Jahre in gewisser Hinsicht übertreffen. Die Rede ist von einem im Werk entwickelten automatisierten Gerät zur Behandlung von Krebserkrankungen. Das tragbare Gerät mit einer Röntgenröhre bestrahlt betroffene Gewebe und Organe unmittelbar während der Operation. Dadurch erhält die Strahlentherapie eine unglaublich hohe Präzision und in Kombination mit chirurgischen Maßnahmen werden operative Eingriffe äußerst effektiv.
Gerade Svetlana wurde zur Hauptplattform für die Entwicklung dieses innovativen Gerätes. Aber hinter den Kulissen steht eine ganze Arbeitsgemeinschaft von Wissenschaftlern, Ärzten und Industriemitarbeitern. Dazu leisteten Mitarbeiter des Stadtkrankenhauses Nr.122, Vertreter der St. Petersburger Elektrotechnischen Universität LETI, der Firma ELTECH-Med, des Wissenschaftlichen Forschungsinstituts für Radiotechnik und Kommunikation sowie die Entwicklermannschaft von MRobot ihren Beitrag.
Das erstellte Mustergerät erwies sich nicht nur als wirksam, sondern auch als praktisch aufgrund der Anwendung moderner Benutzerschnittstellen. Vor zwei Jahren wurde das Produkt der Leiterin des russischen Gesundheitsministeriums Veronika Skvortsova vorgestellt, und sie bewertete es ganz hoch. Zurzeit steht der Apparat kurz vor der Serienproduktion. Die letzten Unterlagen werden genehmigt und konstruktiven Schlussstriche gezogen. Man erwartet das Interesse nicht nur seitens Onkologen in Russland, sondern auch ihrer ausländischen Kollegen. Der jährliche Umsatzvolumen mag etliche Tausende von Geräten betragen. Eine wichtige Trumpfkarte ist der Preis. Man geht davon aus, dass ein Gerät etwa 500.000 US-Dollar kosten wird, was dreimal billiger ist als die vergleichbaren Modelle.
Sowohl für die Industrie als auch für die Grundlagenwissenschaften
Die Auswahl an innovativen Produkten von Svetlana beschränkt sich allerdings nicht nur auf ein einziges Gerät. Das Hauptunternehmen und seine Töchter setzen eine Reihe interessanter Projekte um, die in verschiedenen Branchen von Gesundheitswesen über die Landwirtschaft und den Straßenbau bis zur Ölindustrie für Aufregung sorgen könnten.
Beispielsweise wurde auf Basis einer modernen Röntgenlampe ein Gerät zur Bewertung der Saatgutqualität entwickelt. Es kann nicht nur Infektionen oder Parasiten erkennen, sondern auch Missbildungen identifizieren sowie eventuelle Keimfähigkeit der Samenkörner einschätzen. In den letzten Jahren sind die Geräte, wo die Hochfrequenzströme eingesetzt werden, zu einer wichtigen Arbeitsrichtung für Svetlana geworden. Um das eigene Potenzial in diesem Bereich zu stärken, wurden Mitarbeiter eines spezialisierten Forschungsinstituts, das vor einigen Jahren geschlossen wurde, in das Werk eingeladen. Mit ihrer Hilfe wurde bereits ein Projekt für eine Mikrowellenanlage zur Erwärmung von Asphaltbelägen umgesetzt. Aufgrund des verwendeten physikalischen Prinzips kann die Anlage die gesamte Asphaltschicht erwärmen, wobei alle existierenden vergleichbaren Anlagen nur die äußeren Schichten erwärmen können. Dies kann Straßenreparaturen grundlegend beschleunigen und vereinfachen.
Darüber hinaus hat die fachkräftige Unterstützung Svetlana geholfen, die Zusammenarbeit mit großen wissenschaftlichen Institutionen des Landes auf eine neue Ebene zu bringen. So wurde beispielsweise bereits der erste Vertrag über die Lieferung eines Hochfrequenz-Plasmagenerators für die Russische Universität der Völkerfreundschaft erfüllt. In naher Zukunft wird das Institut für Angewandte Physik der Russischen Akademie der Wissenschaften bei der Modernisierung einer Plasma-Simulationsanlage unterstützt.

Fachkräfte von der Wiege an
Es ist schwierig zu sagen, wie viel die Umwandlung des Werkes von Euroinvest in ein modernes Zentrum für innovative Entwicklungen kostete. Branchenexperten veranschlagen den Gesamtbetrag der Investitionen auf eine Milliarde Rubel. Eine tiefgreifende Modernisierung der Produktions- und Forschungsinfrastruktur des Unternehmens wäre jedoch mit Geld allein kaum zu gewährleisten.
Deshalb ist die strukturelle Lösung, die Andrej Berezin und seine Kollegen vor fünf Jahren fanden, von besonderem Interesse. Es geht um die Gründung eines Risikokapitalfonds zur Koordination aller innovativen zukunftsträchtigen Projekte. Der Fonds wurde gemäß der hausinternen Nachfolgeschaft Euroventure genannt und mit einem erheblichen Startkapital von 10 Millionen Euro versehen. Seine wichtigste Aufgabe ist es, Expertise aller aufwändigen Projekte durchzuführen und die aussichtsreichste davon zu unterstützen.
Die Rechnung ging auf: die meisten bereits erwähnten Entwicklungen werden jetzt genau unter dem Dach von Euroventure implementiert. In absehbarer Zukunft wird ihre Zahl sicherlich steigen – zumindest deutet die Personalpolitik im industriellen Segment des Konzerns auf solch eine Expansion hin.
Insbesondere geht es um die Suche nach jungen Fachkräften – und zwar nicht nur indem man sie von anderen Produktionsstätten abwirbt, sondern indem man sie buchstäblich „von der Wiege an“ aufzieht. Aus diesem Grund hat Euroinvest vor einigen Jahren Verträge mit den renommiertesten Universitäten von St. Petersburg abgeschlossen. Die Partnerschaft ermöglicht es den Konzernmanagern, aufstrebende Studenten auszuwählen und auszubilden. Einige von denen erhalten Jobangebote, bevor sie überhaupt ihren Abschluss machen.

Andrej Berezin’s Unternehmen nutzt auch andere Ressourcen, um Svetlana und seine anderen Produktionsanlagen mit den besten Fachkräften auszustatten. Insbesondere fördert es die Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen, welche die jungen Wissenschaftler und Innovatoren unterstützen.
Ein Beispiel für eine solche Arbeit ist die Partnerschaft mit Leonhard Euler International Charitable Foundation for Mathematics. Diese Organisation unterstützt Euroinvest bei der Durchführung von Bildungsveranstaltungen und Olympiaden, einschließlich der internationalen Olympiade Formula Unity / Third Millennium. Ebenfalls interessant ist die Partnerschaft mit dem Internationalen Club der Petersburger – einer von Mikhail Piotrovsky gegründeten und geleiteten Organisation. Gemeinsam führen der Club und die Holding seit mehreren Jahren den Wettbewerb Prometheus Star durch, bei dem die besten jungen Wissenschaftler, Schöpfer und Sportler ausgezeichnet werden.
Euroinvest hat auch eine eigene Initiative gestartet – ein Stipendium im Namen des Kosmonauten Georgij Gretschko. Es wird an herausragende Studenten und Doktoranden vergeben.
In letzter Zeit scheinen die Eigentümer der Holding jedoch beschlossen zu haben, ihre Arbeit im Bereich Bildung und Talentförderung noch grundlegender zu gestalten. Sie kündigten ein Projekt von einer Gouverneursakademie für begabte Kinder in St. Petersburg an. Dabei übernahm die Firma von Andrej Berezin den Campus-Ausbau sowie die Bezahlung des Lehrpersonals.
Es fällt schwer, die Unternehmer wie Andrej Berezin zu den uneigennützigen Menschen zu zählen, die bereit sind, große Beträge ohne Aussichten auf eine Gegenleistung zu spenden. Besonders wenn es um die entfernte Zukunft geht. Angesichts der Tatsache, dass die Akademie vor allem in den MINT-Fächern begabte Kinder auswählen und ausbilden wird, könnte man annehmen, dass Euroinvest die Schule als Ausgangspunkt zur Vorbereitung starker Fachkräfte betrachtet. Ja, das ist ein langfristiges Spiel, aber wenn Berezin es in Angriff nahm, rechnet er auch langfristig mit dem Zustrom von Fachkräften. Das bedeutet, er hat auch langfristige Pläne für Svetlana und andere Werke, die Teil des Euroinvest-Imperiums sind.
Hinweis:
Andrej Berezin wurde 1967 in Leningrad geboren. Im Jahr 1990 absolvierte er das Leningrader Ustinov Institut für Mechanik mit Auszeichnung und zwar den Studiengang für Ingenieure „Systeme der automatischen Flugzeugsteuerung“. Im Jahr 1993 war er an der Gründung der North-West Fisheries Company beteiligt. Im Jahr 1995 gründete er gemeinsam mit Yuri Vasilyev die Euroinvest Investment Company und ist seitdem dessen Vorstandsvorsitzender. Heute ist Euroinvest eine diversifizierte Holdinggesellschaft, die Unternehmen und Projekte aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen umfasst. Eine von den Euroinvest Tätigkeiten ist die rechtliche und ingenieurtechnische Unterstützung der Grundstück- und Landerschließung in St. Petersburg, Leningrader Gebiet und anderen Regionen. Ende 2017 wurde innerhalb der Euroinvest Gruppe eine eigene Baufirma namens Euroinvest Development gegründet, die sich mit dem Bau von Wohnhäusern und anderen Objekten befasst und somit ein Vollservice-Immobilienentwickler darstellt. Die Landwirtschaft ist ein relativ neuer Bereich für Euroinvest. Die Landwirtschaftliche Anlage Krasnoe Znamya in der Pskov-Region spezialisiert sich auf die Produktion von Getreiden und Futter für die Viehzucht.
Bildquelle: Euroinvest